Am St. Martinsabend 1382 befinden sich in der Herberge zu Wietliesbach die Söldner Graf Rudolfs von Kyburg, der die Stadt Solothurn in aller Stille überrumpeln, einnehmen, und Alles im Schlaf ermorden wollte. Sie erzählen einander beim Bierkruge davon und erfreuen sich der guten Ernte. Aber hinter dem Ofen schläft einer, der nicht zu ihnen gehört: es ist Hans Roth, der Bauer von Rumisberg; um alles zu vernehmen, und sich keiner Gefahr auszusetzen, stellt er sich schlafend. Lange bemerken ihn die betrunkenen Gesellen nicht. Endlich sieht ihn einer; einige achten ihn wenig, weil er ja schlafe, andere aber glauben, er habe gehorcht, und wollen versuchen, ob er sich nur schlafend gestellt, um den Anschlag zu verraten. Sie stechen ihn mit Nadeln, bis er erwacht, und da er nichts zu wissen versichert, von was sie reden, und da er schwört, falls er auch etwas gehört, es keinem Menschen entdecken zu wollen, lassen sie ihn laufen, und er, nachdem er, um nicht entdeckt und eingeholt zu werden, die Schuhe verkehrt angezogen, dass seine Fusstritte im frischgefallenen Schnee von der Stadt heraus zu kommen scheinen, eilt spornstreichs nach Solothurn; beim Eichtor ruft er die Wache an, seine Rede wohl zu beachten und erzählt dann dem steinernen St. Urs, der auf dem Tore steht, was er alles gehört, und wie er habe schwören müssen nichts zu entdecken. Sogleich wird der Schultheiss hergerufen, und der, nachdem er klugen Sinnes alles erkundet, will die Sturmglocke ziehen lassen; diese findet man ganz mit wollenen Tüchern umwickelt und nun tönt das Geschrei «Zu den Waffen» durch die stillen Gassen der Stadt. Pfaff Hans, ein Chorherr, der die Sturmglocken umwickelt, und den Feinden versprochen, sie durch sein, an der Ringmauer gelegenes Haus, hineinzulassen, wird gefangen genommen, Mauer und Tor besetzt. Graf Rudolf, der eben gegen den, wegen des misslungenen Planes sogenannten Fehlbrunnen heranzieht, hört die Sturmglocke erschallen und sieht eine Schar mutiger Bürger, an ihrer Spitze den alten Schultheissen, gegen ihn anrücken. Da merkt er, dass sein Anschlag vereitelt ist; es wendet sich seine Wut gegen die Umwohner, die er alle morden und aufhängen lässt, und er zieht sich zurück. Die erfreuten Solothurner versprechen je dem ältesten aus dem Geschlechte ihres Erretters Hans Roth, einen Rock von der Stadtfarbe, lassen den verräterischen Pfaff Hans in den grossen Turm vor dem Eichtor einmauern und legen dem gesamten Kapitel zur Strafe auf, in der Kirche stets einen grossen, schweren Pelz zu tragen.
Aus: R. M. Kully, H. Rindlisbacher, Die älteste Solothurner Sagensammlung, in: Jurablätter. Monatsschrift für Heimat- und Volkskunde, 1987. Mit freundlicher Genehmigung von R.M.Kully. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch