Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts war es viele Sommer lang auf der Giswiler Alp Arni nicht geheuer. Ein Mann von Giswil, der sich wohl bei Lebzeiten am Gemeindegut vergriffen hatte, rumorte in Holzschuhen nächtlich im Stall, band die Kühe los oder klirrte mit deren Ketten.
Wieder war es Herbst geworden; der Tag der Abfahrt war da und schon war das Senten bis an die untern Grenzen der Alp gekommen, als man bemerkte, dass das Hosenkessli vergessen worden sei. Niemand wollte es gerne holen. Endlich schickte man einen jungen, kecken Burschen, Joller von Sarnen, der aus Scham, ausgelacht zu werden, sich nicht weigern durfte. Allein schritt er wieder zurück, der Hütte zu. Wie er sich aber derselben näherte, sah er das Gespenst in übermenschlicher Grösse unter der Tür stehen. Lange wagte Joller sich nicht zu nähern. Schliesslich trieb ihn die Furcht vor dem Spott seiner Kameraden in die Hütte. Er musste unter dem Arm des Gespenstes durchkriechen, das in vorgebeugter sinnender Stellung, den Kopf auf den Arm gestützt, die ganze Türöffnung verdeckte. Nachdem er das Gesuchte gesunden, entfernte er sich wieder auf dem gleichen Wege. Immer noch stand das Gespenst unbeweglich am Eingang der Hütte. Mit Riesenschritten eilte der Bursche den Gefährten nach; hinter ihm erscholl ein fürchterliches, markerschütterndes Geheul.
Man meldete die Geschichte dem Pfarrer von Giswil; dieser berief die Alpgenossen und bat sie, dem ruhelosen Geist das veruntreute Gut zu schenken, und eine Messe zu seinem Seelenheil lesen zu lassen. Dies geschah und seit jener Stunde hatte man auf der Alp vollkommene Ruhe.
Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch