In der Alp am Stalden in Lungern war vor vielen Jahren während der Sommerzeit ein Knabe, welcher des Abends bei einbrechender Nacht die Holzgeschirre an einem nahen Brunnen reinigen musste. Sobald nun der Knabe die Sennhütte verlassen hatte, nahm ein boshafter Hirte ein rundes Gefäss, füllte es mit Harz, lief heimlich den Hügel hinunter und unten angekommen, zündete er das Harz an, band das Gefäss auf den Kopf und stieg dann schrecklich heulend und brüllend den Hügel hinan, um so dem. Knaben am Brunnen recht bange zu machen. Der Knabe lief zwar einige Male weinend und erschreckt vom Brunnen weg und in die Hütte zurück, doch dachte er im Stillen nach, wie er sich Ruhe verschaffen und das Gespenst erlösen könne.
Eines Tages ging er wieder heimlich zum Brunnen, sammelte dort viele grosse Steine, legte selbe in Bereitschaft, um sie am späten Abend, wenn das Gespenst mit dem brennenden Kopfe den Hügel hinaufkomme, hinunterkollern zu lassen. Am Abend erschien das Gespenst wieder; nun liess der Knabe die Steine los und siehe, ein Stein traf das dasselbe, so dass es tot zusammenbrach, und auch das Feuer erlosch. Nachdem der Knabe mit Musse seine Holzgeschirre gereinigt hatte, kehrte er in die Hütte zurück und erzählte triumphierend, wie er das Gespenst getötet habe. Die Älpler erbleichten, liefen den Hügel hinunter und fanden ihren Kameraden tot. Seither wandelt auf der Alp am Stalden jeden Sommer ein weisser Mann und ruft den Kühen.
Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch