Im Heimwesen Gehri im Kleinteil, Giswil, lebte vor mehr als 100 Jahren ein hübscher junger Bursche, der eine reiche Bauerntochter in der Hirsern, Grossteil, zur Liebsten hatte. An Sonntagen, wenn es zu dunkeln anfing, machte er sich auf den Weg, der ihn bei der alten Kirche vorbeiführte und jodelte und jubilierte so recht voll Herzenslust — ging er ja zu seiner Auserwählten.
Bald merkten die Grossteiler Burschen, dass ihnen ein Kleinteiler das reichste und bravste Mädchen wegfischen wolle, und ihrer vier verabredeten nun, dem Kleinteiler das nächste Mal beim Dornacheli im Gestrüpp zu abzupassen und ihn zu prügeln und heimzujagen, auf dass ihm die Lust vergehe, in den Grossteil hinüber z'dorf zu kommen. Zu verabredeter Zeit trafen die Burschen an besagtem Orte ein. Ahnungslos sein Gsätzlein pfeifend, kam unser Kleinteiler daher. Aber was war das? Immer war er sonst allein gekommen und heute begleiteten ihn acht baumstarke Männer, die sie nicht einmal kannten. Da sie keine Lust halten, mit diesen anzubinden, liessen sie ihn unbehelligt.
Auf dem Rückzuge vom misslungenen Streich wären sie bald unter sich uneinig geworden, weil ein jeder meinte, der andere habe den Plan verraten. Zuletzt hielten sie es für Zufall, dass acht Männer den Kleinteiler begleiteten und sie beschlossen, das nächste Mal ihrer zehn den gefassten Plan auszuführen. Wie erschraken sie aber, als diesmal zwanzig fremde Männer unsern Kleinteiler begleiteten, sodass sie sich veranlasst fanden, sich wieder zurückzuziehen. Voll Ärger und Wut über das nochmals misslungene Vorhaben, wurden sie einig, nach der Hirsern zu eilen, dort die Stiege wegzunehmen und die Fenster einzuwerfen. Als sie aber dorthin kamen, waren die fremden Burschen nicht in der Stube, wie sie vermuteten, sondern strichen immer um das Haus herum, lauernd, wer das Liebespärchen stören wolle. Unsere Burschen aus dem Grossteil mussten sich auch da unverrichteter Dinge zurückziehen. Jetzt verdächtigten sie den Kleinteiler, er zügle fremdes Gschliächt in die Gemeinde, was ein grosses Gerede gab und auch dein Pfarrer zu Ohren kam. Er liess den Burschen zu sich kommen, stellte ihn zur Rede und erteilte ihm einen scharfen Verweis. Verdutzt stand unser Bursche da, konnte den Pfarrer gar nicht verstehen und versicherte, dass er immer allein gegangen sei und von keinem Gspanen wisse. Der Pfarrer zweifelte sehr und der Wahrheit seiner Rede und forschte der Sache weiter nach. Als er erfuhr, dass sonst niemand die fremden Männer gesehen, als gerade diejenigen die den Burschen prügeln wollten, beschied er denselben nochmals zu sich und fragte ihn näher aus. Als er nun erfuhr, dass der Bursche jedes Mal, wenn er bei der alten Kirche vorbei gehe, ein Vaterunser bete für die vielen Tausend Abgeschiedenen, die dort unter Schutt und Steinen begraben liegen, legte er mit tränenden Augen dem Jüngling die Hand auf den Kopf, bat ihn um Verzeihung und wünschte Glück zum Herzensbunde. Von da an konnte unser Bursch unbehelligt zu seinem Mädchen gehen; niemand verwehrte es ihm mehr. Die Burschen aus dem Grossteil kamen zu ihm und baten ihn um Verzeihung. Bald darauf führte er das Mädchen als seine glückliche Braut heim.
Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch