Es war einmal ein armer Vogelfänger, der sein Geld damit verdiente, Vögel zu fangen und Käfige zu bauen. Das Geld reichte kaum zum Überleben, und als wieder einmal alle seine Fallen leer waren, beschloss er, sich am Sonntagabend in La Retenue zu erhängen.
Am Sonntagmorgen wollte er ein letztes Mal nach Cortinat gehen, um seine Fallen zu überprüfen. Und was sah er: Ein wunderschöner blauer Vogel war in seine Netze geflogen. Der Vogel schaute ihn an uns sprach: «Bitte lass mich frei, du wirst es nicht bereuen.»
Der arme Mann seufzte und sagte: «Schau mich an. Ich bin so arm, dass nicht einmal die Mäuse in mein Haus kommen und meine Frau Hunger leidet. Heute Abend wollte ich mich erhängen, weil ich viele Tage keinen einzigen Vogel gefangen habe. Dich kann ich gut verkaufen, du bist meine letzte Hoffnung!»
«Lass mich frei, dann wird es dir an nichts mehr fehlen!»
Der arme Mann brachte es nicht übers Herz, liess den Vogel frei und sagte: «Ich schenke dir deine Freiheit, aber nun werde ich heute Nacht meinem Leben ein Ende setzen.»
Der blaue Vogel flog auf einen Wacholderstrauch und sprach: «Du hast mir die Freiheit geschenkt, so will ich dir auch helfen. Immer wenn du in Not bist, brauchst du nur zu rufen ‹Blauer Vogel, hilf mir›, dann werden deine Wünsche in Erfüllung gehen.»
«Nun, dann, lieber blauer Vogel, hilf mir!»
Kaum hatte der Arme die Worte gesagt, war sein Beutel voll von Rebhühnern und Wachteln. Was für eine Freude! Der Mann ging nach Hause und von da an musste er nie mehr Not leiden. Wann immer er einen Wunsch hatte, rief er «Blauer Vogel, hilf mir!» Und der blaue Vogel, der im Pflaumenbaum sass, schenkte ihm alles, was er brauchte.
Bald hatte der Vogelfänger einen grossen Hof, viele Kühe, eine Kutsche und es fehlte ihm an nichts, kein Wunsch blieb übrig. Da verschwand der blaue Vogel und er sah ihn nie wieder. Manche sagen, die Katze hätte ihn gefressen. Vielleicht ist er aber auch davongeflogen, um anderen Menschen in Not zu helfen.
Der Vogelfänger und seine Frau aber blieben glücklich. Und wenn sie noch nicht gestorben sind, so sind sie es immer noch.
Fassung Djamila Jaenike, nach: G. Lovis, J. Surdez, Vieux Contes du Jura, Porrentruy 1991, «L’oiseau bleu». Aus dem Französischen übersetzt und neu erzählt unter Mitwirkung von Maggie Rüeger.
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