Im Clos-du-Doubs, auf dem Hof in La Combe de Montvoie, lebte einmal ein Bauer mit seiner Familie. Jede Nacht suchte ein Geist den Hof heim und trieb sein Unwesen, so dass niemand mehr ruhig schlafen konnte. Doch was war das für ein Geist oder war es gar eine Hexe? Vielleicht die Witwe mit ihren sieben Töchtern? Nicht lange, da wurde die Witwe der Hexerei angeklagt. Der strenge Fürst von Porrentruy liess die Frau kurzerhand einsperren, ihr Hab und Gut beschlagnahmen und befahl: «Auf den Scheiterhaufen mit ihr!»
Kurz darauf wurde sie mitsamt ihren sieben Töchtern vor dem Stadthaus auf dem Scheiterhaufen bei lebendigem Leib als Hexe verbrannt.
Doch in der Nacht darauf, als der letzte Glockenschlag um Mitternacht von der Kirche von La Motte erklang, erschien eine schwarze Henne mit sieben Küken in La Combe. Sie pickten an die Fenster, schlugen die Scheiben ein, kamen ins Haus und stürzten sich auf die Bewohner, als wollten sie ihnen die Augen auspicken.
Am nächsten Tag ging der Bauer von La Combe zum Einsiedler in St. Ursanne und bat ihn um Rat. «Stelle eine grosse Kerze auf und entzünde an ihr die an Lichtmess gesegneten Kerzen.»
Der Bauer tat alles, was der Einsiedler ihm geraten hatte, aber die Henne kam trotzdem mit ihren sieben Küken. Sie pickten bis zum Morgengrauen an die Fenster, kamen aber nicht ins Haus.
Das wiederholte sich jede Nacht, so dass der Bauer keine Ruhe fand. Da ging er zur Einsiedelei des Heiligen Himerius und klagte ihm sein Leid.
«Fange eine Eule und sieben Fledermäuse und nimm sie mit ins Haus. Sie werden das Huhn vertreiben.»
Der Bauer tat alles, was der Heilige gesagt hatte, aber die Henne kam trotzdem mit ihren sieben Küken. Sie pickten zwar nicht mehr an die Fenster, doch sie flogen gegen die Scheiben, flatterten auf und ab, so dass der Bauer und seine Familie auch die folgenden Nächte keine Ruhe fanden.
Schliesslich ging der Bauer zum heiligen Fromond, der unter einer Eiche wohnte, und bat ihn um Hilfe.
«Nimm ein hölzernes Kruzifix, aus dem Holz des echten Kreuzes und dazu sieben Statuetten aus Vorburg, Mariastein und Einsiedeln und stelle sie auf die Fensterbank.»
Der Bauer bemühte sich, alles zu beschaffen und stellte es auf die Fensterbank. In der darauffolgenden Nacht, als der letzte Glockenschlag um Mitternacht von der Kirche in La Motte erklang, erschien die Henne mit ihren Küken. Doch als sie das Kreuz und die Statuen sahen, rief die Henne:
«Schnell, meine Kinder, fort von hier,
nun kommen wir nicht mehr her.»
Sie flogen davon, manche sagen zum Turm des Schlosses von Monvoie. Wer es wissen will, muss nachts zu den Ruinen gehen und nachschauen.
Auf dem Hof in La Combe aber war von da an Ruhe. Nur manchmal sah der Bauer im Winter einen hungrigen Vogel am Fenster oder hörte eine Eule, die den Tod eines Verwandten ankündigte.
Fassung Djamila Jaenike, nach: G. Lovis, J. Surdez, Vieux Contes du Jura, Porrentruy 1991, nach: «La poule noire». Aus dem Französischen übersetzt und neu erzählt unter Mitwirkung von Maggie Widmer © Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch