Spinebueb nennt man bei uns die ledigen Burschen, welche nachts ihr Mädchen besuchen, um mit ihm zu plaudern und zu scherzen. Nun lebte in der Gemeinde H. ein nicht allzuschönes Mädchen, das keinen Schatz bekam und sehr gern einen gehabt hätte, obwohl ihre Eltern so recht zuwider waren. Einmal ging sie auf den Jahrmarkt, die Mutter schärfte ihr ein, dass sie bei zeiten nach Hause komme und zwar ohne Begleiter. Zornig und trotzig murmelte sie: „Heut will ich einen Spinebueb und wenns der Teufel selber wär.“ Sie ging zum Tanz; aber auch diesmal ging sie leer aus; kein Bursche wollte sie begleiten. Missmutig trat sie allein den Heimweg an. Nicht weit war sie gegangen, da trat ein wohlgekleideter Herr auf sie zu und fragte, ob er sie ein wenig begleiten dürfe, indem es doch für ein junges Mädchen unschicklich sei, so allein zu gehen. Mit Freuden sagte sie zu. Langsam wandelten die beiden, Arm in Arm, den Weg hinan nach der Wohnung. Dort fiel ihr das Verbot ein und teilte es ihrem Begleiter mit, der wollte jedoch nicht umkehren, sondern schloss sie in seine Arme, drückte ihr zwei Küsse auf die Stirn, die ihr wie Feuer brannten und sie erzittern machte. „Gibt es sonst kein Plätzchen, wenn wir nicht dürfen in die Stube, dass wir noch beisammen sein können?“
„Ja freilich, in der Scheune, auf dem Heustock ist’s ganz gemütlich.“ Sie öffnete das Tor, der Mond schien hinein, der Teufel (denn kein anderer war’s) ging eilends die Leiter hinauf. Das Mädchen wollte folgen; aber mit welchem Entsetzen starrte sie auf ihren Begleiter. Auf seiner Stirn entdeckte sie zwei Hörner und seine Füsse waren ungestalt. Sie stand sprachlos vor Schreck, hatte aber so viel Geistesgegenwart, schnell ins Haus zu flüchten und die Türe zu verriegeln. Nun erzählte sie unter Tränen, was ihr begegnet sei und wie sie für ihre ruchlosen Worte bestraft sei. Natürlich durfte in der Nacht niemand in die Scheune. Erst am Morgen, nachdem man alte Gebete gelesen, welche in den alten Büchern zu finden waren und eben ein paar Nachbarn vorbei kamen, öffnete man das Tor. Der seltene Vogel war ausgeflogen. Das arme Mädchen aber hatte für ihr ganzes Leben ein Andenken; denn an jener Stelle wo sie der Teufel geküsst hatte, bekam sie eine Erhöhung wie zwei Hörner. Von da an nannte man das Mädchen das Hörnle oder Teufelsmädchen.
Quelle: Dr. J. Heierli, Sagen aus dem Kanton Appenzell. Schweizerisches Archiv für Volkskunde, Band 10,1906.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch