Auch Hexen hat es vor Zeiten bei uns gegeben wie an so vielen anderen Orten, so war eine Schmiedsfrau sehr berühmt in ihrer Kunst. Dieselbe ritt oft und viel auf den Blocksberg (oder Heuberg wie er oft bei uns genannt wird). Der Schmied hatte zwei Gesellen, einer ein frischer, resoluter Bursch, der andere still, fast schüchtern. Da merkte der fröhliche Geselle, dass sein Kamerad immer stiller wurde und sehr abmagere und fragte ihn nach seinem Kummer. Lange wollte er nicht heraus mit der Sprache, endlich entdeckte er ihm, dass alle Nächte seine Meisterin komme ihm einen Zaum anlege, dann sei er im selben Augenblick ein Ross und müsse mit ihr auf den Heuberg. Des Morgens, wenn er zur Arbeit müsse, sei er todmüde und wie zerschlagen. „Lass mich nur machen, heute Nacht gehst Du in meine Kammer und ich in Deine, sag' aber kein Wort“. Nachts wurde der Tausch gemacht, nicht lange hatte der resolute Bursch zu warten. Die Meisterin kam leise in die Kammer mit einem Zaum in der Hand, den sie ihm anlegen wollte, aber der Geselle nahm ihr den Zaum so schnell wie der Blitz aus der Hand, legte ihn ihr selber an, und sofort ward sie zum Ross, er aber ritt nicht auf den Blocksberg, sondern führte sie in die Schmiede, beschlug sie wie ein anderes Ross, freilich war sie widerspänstig, aber es gelang. Am Morgen erzählte er seinem Kameraden was er gemacht und beide beschlossen den Abschied zu nehmen. Als der Meister in die Schmiede trat, sagten sie ihm ihr Vorhaben. Ungern entliess er sie; aber ein Abschiedsmal müssten sie miteinander halten. Er rief seiner Frau, die lange nicht zum Vorschein kommen wollte. Endlich kam sie, aber, o Schrecken, sie hatte Eisen an den Händen und Füssen. Voller Entsetzen starrte sie der Meister an; doch die Beteiligten schwiegen. Die Gesellen reisten bald ab, und der Abschied von der Frau ging ihnen nicht zu Herzen; aber der liebe freundliche Meister dauerte sie.
Ein Schustergeselle, der in einer Kammer schlief, durch die der Schornstein oder das Kamin ging, hörte oft in der Nacht ein Geräusch in demselben. Er konnte es sich nicht erklären und beschloss aufzupassen. Er machte ein Guckloch in die Küche hinunter, und stellte sich nachts auf die Lauer. Da sah er seine Meisterin, wie sie mit einer Salbe einen alten Besen bestrich, sich darauf setzte und mit den Worten „Auf und an! stoss nirgends an“ zum Kamin hinausflog. Das dünkte den Gesellen doch gar zu lustig. Er eilt in die Küche, nimmt einen andern Besen, bestreicht ihn mit der Salbe und im Hui ist er zum Schornstein hinaus. Mit rasender Schnelligkeit gehts durch die Lüfte, endlich sieht er den Blocksberg, macht Halt und findet hier eine bunte Gesellschaft von alten und jungen Hexen und Hexenmeistern. Satan wollte eben mit der ältesten widerlichsten Hexe den Tanz eröffnen. Als er den neuen Ankömmling erblickte, ging er freundlich auf ihn zu, führte ihn in den Kreis, gab ihm eine schöne Hexe an die Hand, und der Tanz ging los. Dem leichtsinnigen Schuster gefiel es ganz gut, man ass, trank, spielte und tanzte bis es spät und Zeit war, nach Hause zu gehen. Da kam Satan mit einer Pergamentrolle zu dem Schuster, bot ihm eine Feder, um den Bund mit ihm zu unterschreiben, und zwar mit seinem eigenen Blut; denn er gehöre ihm auf ewig, weil er am Hexensabbat teilgenommen. Dies war dem Schuster doch zu bunt. Er wollte nicht unterschreiben, er müsse doch alle Bedingungen wissen und was er für Lohn kriege. Der Teufel wurde ärgerlich: „Mit einem Schuster ist nichts anzufangen, scher Dich fort!“ Als er sich aber auf den Besen setzte, schrie ihm Satan zu: „Auf und an, stoss an allen Orten an“, und sogleich stiess er an einen Felsen. Mit grosser Lebensgefahr stieg er hinab und kam erst nach vielen Tagen nach Hause. Er suchte sich einen anderen Meister und in seinem ganzen Leben ritt er nie mehr auf einem Besen auf den Blocksberg.
Das „Teuferbabele“ war eine verrufene Hexe. Sie plagte Menschen und Vieh auf das Grausamste. Die gesundesten Menschen bekamen durch sie die Auszehrung, lahme Glieder usw. Das Vieh gab keine Milch oder schlechte, am Morgen hiengen die Kühe halb oder ganz krepiert an der Krippe. Kurz, es war eine Plage mit dem Babele, dass es eine Art hatte, und man wurde sie nicht los. Am liebsten, so erzählte sie selber, habe sie sich verwandelt, bald in diesen, bald in jenen Gegenstand, auch in Tiere; dann habe sie die Menschen recht gefoppt. Einmal habe sie sich in einen Baumstumpf verwandelt, ein Geschirrhändler, der müde des Weges zog, habe seine Zeine auf sie gestellt und sei daneben ins Gras gesessen, um auszuruhen. Während er sich den Schweiss von der Stirne trocknete, fing der Stock an sich zu bewegen, und rollte mit der Zeine voll Geschirr den Abhang hinunter, das Geschirr zerbrach in viel tausend Stücke. Der Händler sei entsetzt nachgesprungen, sein verzweifeltes Gesicht, sein Jammern und Wehklagen, seine Gebärden seien ihr ganz lächerig vorgekommen. Ein andermal habe sie sich verwandelt in ein Stück Holz bei einem Bauplatz. Als die Gesellen ihr Vesperbrot verzehrten, seien sie auf das Holz gesessen, sie sei fortgekugelt, die Gesellen hinunter gepurzelt, das habe sie gefreut. Bald sei sie eine Katze gewesen, bald ein Uhu usw., aber immer habe sie den Menschen ein Andenken hinterlassen, die ihr zu nahekamen. Natürlich wäre man sie gerne los gewesen und ging zu den geschicktesten Hexenbannern. Lange vergeblich. Endlich machte einer ihr den Garaus. Alles frohlockte bei des Babeles Tod. Nach ihrem Tode war war sie erst recht eine Plage. Sie rumorte in den Nächten im Hause herum und richtete solchen Spektakel an, dass man, um Ruhe zu haben, den Henker kommen liess. Der ging in die Spukkammer. Den Leib fing er geschwind und steckte ihn in eine Kiste; der Kopf aber machte ihm viel zu schaffen; denn so oft er ihn anfassen wollte, rollte er wieder fort. Endlich gelang es ihm doch; schnell schob er ihn in die Kiste und vergrub diese im Günndertobel. Dort wird sie wohl ruhig sein; denn die Kiste ist mit ungeheuer grossen Steinen bedeckt.
In Urnäsch trieb des Christen Regi [Regina] ihr "Wesen." Wie die vorige plagte sie Menschen und Vieh. Sie musste nur ein Messer in die Wand stecken, dann fing es an zu rinnen von Milch, wie Wasser aus einer Brunnenröhre. Auch verwandelte sie sich öfters in einen Fuchs. Wenn der Nachbar sein Vieh tränkte, sprang sie hin und her, die Kühe aber zerstoben bei ihrem Anblick nach allen Himmelsgegenden und der Bauer hatte seine liebe Not, bis er sie zusammenbrachte. Einst besuchte ihn ein Freund und sah den Spektakel. „Warum schiessest du nicht auf den Fuchs?“ fragte dieser. „Ich darf nicht, die Kugel würde mich selber treffen, sagte der Bauer“. „A bah, ich probiers“. Am nächsten Morgen stellte er sich auf die Lauer, als der andere tränkte. Der Fuchs kam wie gewöhnlich. Er zielte, schoss und traf ihn in den Hals, doch konnte er noch forteilen. Am selben Tage sagte des Nachbars Kind, die Regi habe am Halse geblutet und sei jammernd die Stiege hinauf- und abgesprungen, man habe den Arzt geholt, aber sie sei ausgeblutet und liege jetzt tot in der Kammer. Auch hier gab es keine Tränen. Nach dem Tode spukte es ebenfalls in ihrer Kammer. Niemand durfte mehr im Hause wohnen als ihr Bruder, der schwur, er wolle sich schon Ruhe schaffen. In der Nacht, wenn das Gepolter anfieng, gieng er mit dem offenen Säbel in die Kammer, hieb kreuz und quer in die Luft und rief: „Regi, sei ruhig oder ich zerhaue dich“. Es nützte nichts, es ward nur ärger. Da ging er zu Messmers Sepple, der kam um Mitternacht, fing die Hexe, steckte sie in einen Sack und vergrub sie im Hundwilertobel. Erst jetzt hatte man Ruhe, und auch sie regt sich wahrscheinlich nicht mehr.
Eine alte Frau kam eines Tages zu meiner Mutter, und bat, sie möge ihr erlauben sich in der Stube zu wärmen und auszuruhen. Die Mutter, mitleidig von Natur, wies ihr einen Platz am warmen Ofen an und fragte sie, woher sie komme und warum sie in solcher Kälte so leicht gekleidet umhergehe. Die Alte seufzte und sprach: „Ich wohnte bei meinem Sohn in der Nachbargemeinde, dem ist seit längerer Zeit am Weben viel geschadet worden, bald das Garn verschnitten, bald der Rahmen, die Blattzähne ausgebrochen u.a.m., den Kindern das Kleidchen am Leibe und die Schuhe an den Füssen zerschnitten, so dass er ein armer Mann geworden sei. Nun habe ein Kind gesagt: „Vater, es ist die Grossmutter!“ Zuerst habe er es nicht geglaubt, aber später doch und jetzt müsse sie in die Welt hinaus. Meine Mutter sagte ihr: „Ich weiss nicht, ob du solche Sachen treibst; wäre es der Fall, so könnte kaum eine Strafe zu gross sein für dich, wenn du dein eigen Fleisch und Blut so ins Elend und Verderben bringst. Bist du unschuldig, so ist dein Sohn ein schlechter Mensch.“ Sie redeten noch weiter miteinander, und der Mutter gefielen ihre Reden immer weniger. Endlich sagte die Mutter: „Frau, du hast dich gewärmt, gehe jetzt nach Hause oder zu Freunden.“ Die Alte ging, fast gereute es die Mutter, als sie sah, wie die Alte kaum gehen konnte und immer wieder zu Boden fiel. Am andern Morgen hörte sie, dass die alte Hexe, welche dem eigenen Sohn so viel zu Grunde gerichtet habe, tot sei. Sie habe nicht wollen aufhören ihren Sohn zu quälen, obwohl ihr der Hexenbanner mit dem Tode gedroht hatte. Ihr Sohn hatte sie nicht verstossen, aber sie konnte vor Furcht nicht mehr dortbleiben. Sie starb in einer Scheune. Mit blutigem Gesicht und Händen lag sie da, sie hatte eine Hechel bei sich und war immer auf dieselbe gefallen.
Es mögen etwa ein Dutzend Jahre her sein, da ging ein Mädchen Erdbeeren zu suchen. Auf dem Heimweg begegnete ihr eine Frau und fragte sie so vielerlei, dass das Mädchen zuletzt kurze oder gar keine Antwort gab. Nun spazierte ein Kätzchen auf dem Hag. Das Weib nahm die Katze beim Schwanz, drehte sie dreimal herum und warf sie dem Mädchen vor die Füsse. Das Mädchen hatte Mitleid mit dem armen Tierchen, streichelte es und richtete es wieder auf, dann ging das Kind nach Hause. Kaum konnte es noch die Wohnung erreichen, so krank und matt war es. Man holte schnell einen Arzt, der konnte die seltsame Krankheit nicht erkennen. Alle ärztliche Hülfe war umsonst. Jetzt ging der Vater zum Scherer, der ihm versprach zu helfen, wenn er alles genau mache, wie er befehle. Er gab ihm eine Medizin, aber er dürfe nicht ausruhen, es werde ihm scheinen, die Medizin würde immer schwerer und dann werde, sobald er zu Hause angelangt sei, dasjenige kommen, welches an der Krankheit schuld sei. Wenn die Person etwas bringe, solle er nichts annehmen, sei es zum Essen oder sonst ein Gegenstand, lasse sie es absichtlich liegen, so solle ers ohne weiteres ins Feuer werfen. So geschah es. Kaum war er im Hause, kam schon besagtes Weib, fragte wie es dem Kinde gehe, und wollte ihm eine schöne Torte bringen. Der Vater weigerte sich es, es anzunehmen. Sie wollte nicht aussetzen. Zuletzt fertigte er sie barsch ab, mit den Worten: „Mein Kind ist nicht krank und wenn sie etwas braucht, kauf ich’s selber.“ Das Weib ging. Bald wurde das Mädchen gesund, das Weib aber besuchte sie nie mehr.
Quelle: Dr. J. Heierli, Sagen aus dem Kanton Appenzell. Schweizerisches Archiv für Volkskunde, Band 10,1906.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch