Wenn man um Mitternacht, in der sogenannten Geisterstunde, unter einer dreigipfligen Haselnussstaude in den 3 höchsten Samen gräbt, so findet man ein Tierchen, an Gestalt und Farbe wie eine Kröte, jedoch kleiner. Dasselbe hat die wichtige Eigenschaft, Geld zu legen. Man muss nämlich dem Tier alle Tage ein Geldstück unterlegen, gross oder klein, nachdem man’s eben hat, und in einer Viertelstunde kann man zwei gleiche Stücke wegnehmen. Natürlich schiebt man grosse Stücke, Taler oder Dukaten unter, sobald man solche hat, und ist in kurzer Zeit steinreich. Warum, wird der 1. Leser fragen, gräbt man nicht mehr und öfter nach diesem Tierchen? ja, das hat seinen Haken! Man muss die Allaraun alle Tage im Esslöffel baden und aus dem Teller füttern, den man selber braucht. Beileibe kein anderes Geschirr! Ein armes Ehepaar hatte sich so eine Allaraun gegraben. Nach und nach wurden sie wohlhabend und endlich sehr reich. Zuerst glaubte man, es gehe ihnen gut, weil sie fleissig seien, allein als man nachrechnete, fand es sich, dass es ihnen den Einnahmen nach unmöglich wäre, auch nur einen Teil von ihrem Vermögen zu besitzen und schliesslich entdeckte man, dass sie eine Allaraun besassen. Nun, kurz und gut, sie waren weitaus die Reichsten in der Gemeinde. Sie liessen ein prächtiges Haus bauen, wenige Schritte vom Dörfchen entfernt, an dem Scheideweg von zwei Strassen, einen Prachtbau, der jetzt noch, nach so vielen Jahren der schönste in der Gegend ist. Das Ehepaar lebte im Glanz und Überfluss. Der Mann starb und seine Frau pflegte die Allaraun getreulich, endlich starb auch die Frau. Sie wollte ihren Nachkommen die Allaraun übergeben, aber niemand wollte das hässliche Tier. Aber nun hatten sie keine Ruhe in dem schönen Haus; alle Nächte kam die Frau im Leichenkleid ihre Allaraun zu füttern, die mit kläglichem Geschrei sich der Herrin nahte. Sie war auf keine Art aus dem Hause zu bringen; doch legte sie nicht mehr. Niemand wollte in dem verrufenen Hause wohnen. Einst wagte es doch wieder ein kecker Mann. Als die Frau in der Nacht kam, nahm er die Allaraun und trug sie hinaus der Frau nach bis auf den Kirchhof, legte sie aufs Grab, am Morgen fand man das Tier tot und im Hause herrschte nun Ruhe, noch jetzt leben Nachkommen von jener Frau darin, und sind noch immer reich.
Quelle: Dr. J. Heierli, Sagen aus dem Kanton Appenzell. Schweizerisches Archiv für Volkskunde Band 10,1906.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch