Der Farnsamen

Land: Schweiz
Region: Senseland
Kategorie: Sage

Ein reicher Mann hörte einmal, dass an Johanni um Mitternacht, der Farn blüht. Seine winzigen Samen haben geheime Kraft, denn wer ihn besitzt, kann die Sprache der Tiere, verstehen, und bekommt alles, was er sich wünscht. Aber nur wer nichts von dem Wunder weiss,  kann ihn finden. Der Reiche beschloss, sein Glück trotzdem zu versuchen. Es war ein klarer Sternenhimmel, als er sich auf den Weg in den Wald machte, um den Farn zu finden. Doch kaum schlug es Mitternacht, erhob sich ein schreckliches Gewitter. Es hagelte und stürmte, Bäume krachten, und ein Blitz schlug genau in den Baum unter dem der Mann gestanden hatte. Ohnmächtig sank der Reiche zu Boden und erwachte erst am nächsten Morgen. «Habe ich geträumt?», fragte er sich. Aber neben ihm stand der vom Blitz getroffene Baum. Also war es wahr: Nur ein Ahnungsloser konnte den Farnsamen finden.

Der Reiche überlegte, wie er doch noch an den wunderkräftigen Farnsamen gelingen konnte. Als wieder die Johannisnacht kam, rief er seinen gutmütigen Knecht zu sich und sprach: «Heute Nacht musst du den Stier durch den Wald zur unteren Hütte bringen.» Der Knecht wunderte sich nicht wenig, doch er holte den Stier und führte ihn, wie der Reiche wusste, über das Farnfeld durch den Wald. Als er am Feld mit dem Farn vorüber war, drückte ihn auf einmal etwas im Schuh. Zur gleichen Zeit hörte er zwei Hunde bellen: «Du, du», rief der eine.

«Was, was?», bellte der andere zurück.

«Heute Nacht kommen Diebe, aber ich will nicht bellen.»

«Warum nicht?», bellte der andere zurück.

«Die Herrschaft hat heute gutes Fleisch gehabt und mir nichts gegeben, also werde ich auch nicht bellen, wenn die Diebe kommen.» Dem armen Knecht standen die Haare zu Berge. So schnell er konnte, ging er mit dem Stier weiter, doch der Schmerz im Schuh wurde immer schlimmer. Schliesslich hielt er an, zog den Schuh aus, schüttelte ihn gründlich aus, und als er ihn wieder anzog, war das, was auch immer ihn gedrückt hatte, verschwunden.

Im Morgengrauen kam der Knecht mit dem Stier zur Hütte. Der Herr fragte neugierig: «Hast du etwas Besonderes erlebt heute Nacht?» Der Knecht erzählte, dass ihn etwas im Schuh gedrückt hatte. «Aber nachdem ich die Schuhe ausgeschüttelt habe, ging es besser.» Weiter kam er nicht, denn der Herr rief: «Ach herrje!», rief sein Herr aus. «Du hast den zauberkräftigen Farnsamen aus dem Schuh geschüttelt. Hättest du ihn behalten, hätte ich alles bekommen, was ich mir nur gewünscht hätte.»

In diesem Augenblick kam die Magd und rief: «Herr! Diebe waren im Haus und haben alles gestohlen!»

«Ja, das haben die Hunde gesagt, heute Nacht», sagte der Knecht und nickte. Da machte die Magd schnell ein Zeichen, auf seine Stirn, damit der Verstand wieder in seinen Kopf käme.  

Von diesem Tag an aber wollte der Reiche nichts mehr vom wundersamen Farnsamen wissen.

 

Märchen aus der Schweiz, Senseland

 

Fassung Djamila Jaenike, nach: G. Kolly, Sagen und Märchen aus dem Senseland, Freiburg 1965, nach: Vom Farnsamen

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