Es war einmal eine sehr arme Frau. Ihr Mann lag schon seit vielen Tagen krank im Bett und konnte nicht arbeiten, so dass die unglückliche Frau an jenem Mittag nichts, aber auch gar nichts hatte, um den Hunger ihrer vielen Kinder zu stillen, die weinend um Brot baten.
Um sie zu beruhigen, sagte sie zu ihnen: «Seid still, liebe Kinder. Ich will euch einen schönen Kessel voll Kastanien kochen.» Weil aber die arme Frau keine Kastanien hatte, tat sie heimlich und mit traurigem Lächeln viele Steinchen in den Kochtopf. Bald darauf fing das Wasser an zu kochen und zu sprudeln, dass es eine Freude war, und die Kinder machten grosse Augen vor Vorfreude auf das feine Essen.
«Mutter, sind die Kastanien fertiggekocht» fragte der Kleinste.
«Bald, bald. Habt nur Geduld, meine Kinder.»
In diesem Augenblick klopfte jemand an die Haustür.
Die Frau ging hin und öffnete, es stand ein Bettler vor der Tür. Er schaute sie mit sternenhellen Augen an und bat: «Bitte, gute Frau, gebt mir etwas zu essen, ich sterbe fast vor Hunger, habt Erbarmen mit mir!»
«Oh, du armer Mann! Von Herzen gern würde ich dir etwas geben. Aber ich habe selbst nichts, gar nichts. Stell dir vor, weil meine Kinder so hungrig sind, habe ich Steine gekocht und gesagt, es wären Kastanien», erzählte die Frau weinend.
«Das macht nichts, gute Frau», sagte der Bettler. «Ich sehe, dass du ein gutes Herz hast und das ist das einzige, das zählt. Gottes Segen sei mit dir.» Der Bettler schaute sie mit seinen leuchtenden Augen an und dann zog er weiter.
Die Frau trocknete ihre Tränen, dann ging sie wieder zum Herd, hob den Deckel vom Topf und was sah sie: Er war voller wunderbarer gekochter Kastanien. Voller Freude wollte sie die Teller aus dem Schrank nehmen, als sie dort lauter frische Brotlaibe fand und dazu ein gutes Stück Fleisch. Schnell rief sie die Kinder zu sich, holte auch den kranken Mann an den Tisch, und gemeinsam dankten sie für dieses Wunder. Sie wurden seit langem alle wieder satt und der Mann schon bald wieder gesund. Die Leute aber sagten: Der Bettler, das war der liebe Gott, denn er wandert von Zeit zu Zeit über die Erde, um die Herzen der Menschen zu prüfen und den Bedürftigen Trost und Hilfe zu bringen.
Quelle: neu erzählt nach W. Keller, Am Kaminfeuer der Tessiner, Zürich o.J.©Mutabor Märchenstiftung
Ul miracul cur i casctegn
A gheva una volta una poura, poura dona. Leva già da diversi dì che sö om leva in lecc ammarou e u podeva mia lavora, di modo chè quel dì per discna ra dona sfortünada la gheva nient, ma propria nient, per colma ra fam dai söi fant chi dumandava ul pan piaiscendo dra fam.
Per calmai lag diseva: «cito cari fant, a vöi cüsinaf una bela pentola piena da casctegn». Viscto però che ra poura dona la gheva mia casctegn, lag meteva da nascundong – e cur ul scguardo trisct - di sasulin indra padèla. Dopo un po' l’acqua la cominciava a buii – e i fant i faseva di grand öcc dra cuntentezza e dra gioia per ul bon past.
«Mama iè prunt i castegn?», u dumandava ul püsé pinin.
«Quasi, avet un po' d’pascenza, mei fant».
In quel mument i busava ara porta. Ra dona lè nada a vert ra porta e lasa trovada davanti un mendicant. Ura guardava cur di grand öcc e u dumandava: «Per piasé Scura, la ma dia queicous da mangia, a söm drè muri dr fam, lag abbia peina per mi!»
«Oh pouret! Cur ul cör ag daresi qualcous. Ma anga mi agò proprio nagot; – u pensa che viscto che i mei fant i ga tanta fam – agò fou cöös di sasulin e agò dic che iè casctegn», lag diseva ra dona piangendo.
«Fa nient», u diseva ur mendicant. «A vedi che la gà un grand cöör e quescto l’è r’ünica che cünta, che Dio ra benedica.» Ul medicant ura guardava cur di öcc lüccicant e pü u nava via.
Ra dona las sügava i lacrim e la tornava al fornel, la tira sü ul cuertsc dra padèla e cusa la ved: la padèla l’eva piena da castegn meraviglios. Piena da gioia la voreva tira fo i piat – e la sa trova la credenza piena da pan fresc e un da carn seica. I scvelt la ciama i fant e anca ul om ammarou e insèma i ringraziava per quescto miracul. E finalment dopo tanto temp iè mangiou tütt fino a sazietà e anca r’om u menzava a guari. Ra gent però i diseva: ul mendicant l’eva ul bon Signur, u pasava ogni tant sür ra tera, per guarda ul cöör dra gent e a quei bisognos u portava consolazion e aiüt.
übersetzt von Laura De Giorgi in den Tessiner Dialekt aus dem Bleniotal