Die Riesen

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Vor gut einem Menschenalter lebte im Gebirgsdorfe Plasselb ein Mann von riesiger Körperkraft. Es mass ohne Übertreibung seine zwei Meter in der Höhe. Auf der flachen Hand wog er einen zentnerschweren Schweizerkäse, als ob es bloss eine kleine Geldmünze wäre. Bei all seiner Kraft und Stärke war unser Goliath eine gute Haut und tat keiner Fliege was zuleide. Bereitwillig half er aus, wo es nottat. Einst bat ihn ein Nachbar in der «March», er möge ihm einen steinernen Brunnentrog vom Ärgerental bis zum Wohnhaus hinauffahren. Zwei Pferde hätten daran genug zu schleppen gehabt; denn die Fahrwege in den Plasselberhubeln sind keine Staatsstrassen. Marchhans, wie der Riese im Volksmund genannt wurde, brauchte jedoch die Rosse nicht. «Ich trage den Trog selber herauf», sagte er dem Nachbarn. Dieser lachte ihn aus und meinte, das übersteige doch seine Kräfte. Der Riese sagte nichts mehr, stieg ins Tal und besah sich seine Bürde. Dann reckte er sich, hob den Steintrog auf seine Schultern und schritt mit demselben gemächlich die steile Halde hinauf. Alle Nachbarn liefen zusammen und staunten ob solch unerhörter Leistung. Der Riese aber setzte ruhig den Trog vor das Haus des Nachbarn nieder. An seiner Stirn war kein einziger Schweisstropfen; von Anstrengung spürte Marchhans nichts, was alle sehr verwunderte.

Ein anderer Riese vollführte ähnliche Heldenstücke. Er spazierte am Ufer des Schwarzsees. Hier traf er Fuhrleute aus dem Bernbiet, die gerade eine gewaltige Bergtanne auf einen Wagen laden wollten. Zwölf stämmige Männer arbeiteten daran, ohne jedoch ihr Vorhaben ausführen zu können. Der Riese schaute ihnen eine Weile zu, fasste dann den dicken Stamm mit einem Arme und legte ihn ganz sachte auf den Wagen. Doch die Fuhrknechte dankten ihm nicht einmal für diese Hilfe, sondern legten sich in den Schatten, wo sie ihr Vesperbrot verzehrten. Empört darüber ergriff der wackere Sensebezirkler die Tanne und warf sie in weitem Bogen in den See hinein. Dann setzte er seinen Weg fort. Mit grösster Mühe mussten die Undankbaren den Baumstamm wieder herausfischen. In ihrem Grimm beschlossen sie, sich am tapferen Freiburger zu rächen. Sie schickten bald nachher einen Berner Riesen; der sollte sich mit dem starken Freiburger messen. Dieser arbeitete an einem Brunnentrog, als der Berner ankam. In aller Ruhe beendete er seine Arbeit, nahm den Trog unter den Arm und ging seinem Gegner entgegen. Doch diesem war die Lust am Ringen vergangen. Schleunigst kehrte er um und war bald verschwunden. Er hatte genug vom Sehen: von einer so sehnigen Bärenfaust dieses Freiburgers wollte er sich nicht über die Kaiseregg hinüberschleudern lassen, was ihn wohl getroffen hätte.

 

Quelle: Pater Nikolaus Bongard, Sensler Sagen, Freiburg 1992.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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