Nahe an der freiburgischen Grenze liegt in einer luftigen Höhe von 1118 Meter das freundliche Bernerdörfchen Guggisberg. Wie ein Schwalbennest unter dem schützenden Hausdach schmiegt sich der Ort an den Berg, das Guggishorn. Die Bergkuppe liegt hundert Meter höher als das Dörfchen.
Einst, vor vierhundert Jahren, war das emsige, zähe Völkchen hier oben ebenso gut katholisch wie die benachbarten Freiburger. Mit dem Auftreten der Neuerung wurde es anders. Wohl hielt das kernige Bauernvolk lange fest an seinem alten Glauben, den ihm die Mönche von Rüeggisberg verkündet hatten. Aber es wurde anders, als der Rat von Bern 1528 sich für Zwinglis Lehre entschied. Mit Waffengewalt wurde den gläubigen Landleuten die Reformation aufgezwungen. Die Wogen des Glaubenskampfes rissen auch die schlichten Bergler in den Strudel hinein. Es wurde ihnen verboten, die hl. Messe anzuhören; der unsinnige Fanatismus gegen die ehrwürdigen Gebräuche der Kirche wurde von den Präsidenten eifrig geschürt. Die Verehrung Mariens und der Heiligen wurde von ihnen als «abscheulicher Götzendienst» bezeichnet. Die Bilderstürmer drangen ins Gotteshaus und in die Stuben der umliegenden Bauernhäuser. In blinder Wut rissen sie die Bilder und Statuen der Heiligen von den Wänden, die Standbilder zerschlugen sie, die Gemälde, Messbücher, fromme Legenden und gottesdienstliche Geräte wurden auf dem Dorfplatz aufgeschichtet und dann angezündet. Gar manches liebe Andenken frommer Vorfahren fiel da der Vernichtung anheim. Schadenfroh umstanden die Neuerer das hochauflodernde Feuer. Da fiel zufällig das Auge eines fanatischen Hetzers auf den Giebel des Wirtshauses, wo unversehrt noch ein schlichtes Marienbild in heiliger Ruhe auf das wilde Treiben herabsah. Jetzt wurde auch es von rohen Händen entweiht. «Hinein ins Feuer mit der papistischen Göttin Maria», schrie einer, Samuel Burri wollen wir ihn nennen. Mit einem gräulichen Fluch ergriff er das Bild der Gottesmutter und schleuderte es in die gierigen Flammen, die mit gefrässigen Feuerzungen ihr Werk fortsetzten. Aber siehe da! Das Marienbild widerstand der zerstörenden Macht des Feuers. Die heisse Glut hatte ihm nichts schaden können. Bloss etwas geschwärzt von Rauch zog man das wunderbare Bild heraus. Die einen jubelten, die andern hingegen befiel heftiger Schrecken. Einem braven Katholiken gelang es, das gerettete Bild ins Freiburger Gebiet zu bringen. Jetzt hat es seinen Ehrenplatz in der Wallfahrtskirche von Bürglen. Dort grüsst es von der Rampe der Orgelbühne den andächtigen Besucher des trauten Heiligtums.
Quelle: Pater Nikolaus Bongard, Sensler Sagen, Freiburg 1992.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.