Es war einmal ein junger munterer Bursche mit hellen Augen und starken Armen. Der träumte den lieben langen Tag und dachte an nichts. Darum hielten ihn alle Leute daheim für einfältig und nannten ihn nur den dummen Peter.
Eines Tages ging der Peter, weil ihm nichts anderes einfiel, über Land. Da kam er von ungefähr an einen Bach, der war von Regengüssen so hoch angeschwollen, dass er das ganze Tobel schier bis zum Rande füllte. Da das Wildwasser auch die Brücke fortgerissen hatte, so machte sich Peter daran, hinüberzuschwimmen. Da stand aber aufs Mal ein winzig kleines Mandli vor ihm und sprach: «Ach, sei so gut und nimm mich doch mit hinüber.» «Komm her!» antwortete Peter, setzte den Hock auf seine linke Hand und ruderte mit der rechten ans andere Ufer. Als sie wohl auf dem Trockenen waren, sagte das Mandli: «Jetzt sollst du auch deinen Lohn haben. Was hättest du gern?» «Ei, was kannst du mir wohl geben, du kleiner Pfüder?» antwortete Peter und lachte. «Wünschest du dir einen klugen Kopf?» «Nein, davor bewahr mich der Himmel! All zu klug macht närrisch; und wer alles wissen will, weiß gewöhnlich nichts. Und überdies: was hilft alles Wissen, wenn man nicht danach tut.» «Wünschest du dir geschickte Hände und flinke Finger?» «Nein, das brauche ich nicht, denn arbeiten ist nicht meine Gewohnheit.» «Willst du den Knüppel im Sack?» «Ja, das lässt sich eher hören», sagte Peter, «dann kann ich die Hunde verscheuchen, die mich immer anbellen und mir in die Beine fahren, wenn ich durchs Dorf gehe.»
Da holte das Mandli aus seinem Hosensack einen winzig kleinen Beutel hervor, nicht länger als ein Finger; aber wie er ihn dem Peter reichte, wurde er als länger und länger, bis er so groß geworden war wie ein Kornsack, und darin steckte ein eichiger Prügel. Peter dankte dem Mandli, und dann nahmen sie Abschied voneinander. Das Mandli tappelte in die Stauden, und der Peter wanderte mit seinem Sack weiter einem großen Walde zu. Kaum war er in den Schatten der ersten Tannen gekommen, da stürzte ein grimmiger Unhold auf ihn los, groß und fest wie ein Riese, «Geld oder Blut!» brüllte er und schwang ein blutiges Messer. «Da bist du gewiss am Falschen», antwortete der Peter unerschrocken, «ich hab keinen roten Rappen, und auch sonst ist nichts bei mir zu holen.» Da entriss jener ihm den Sack und schaute begierig hinein. Als er nichts als den Knüttel darin sah, ward er fuchsteufelswild, und schlug mit beiden Fäusten auf Peter los. Der ließ die Püffe und Knüffe eine Weile ruhig über sich ergehen, dann aber ward's ihm doch zu arg, und er rief: «Knüppel aus dem Sack!» Da sprang der Knüppel heraus und gerbte dem Riesen so kräftig das Fell, dass er laut aufheulte und bald jämmerlich um Gnade bat. «Wünsche dir was du willst, ich will dir's geben», rief er, «nur soll dein Knüppel aufhören mich zu prügeln.» «Lass hören, was du zu geben hast», sagte der Peter. «Willst du so stark werden wie ich?» «Nein, denn sag, was hat all deine Stärke dir jetzt geholfen? Es ist keiner so stark, er findet einen Stärkeren. Willst du stark sein, so überwinde dich selbst.» «Willst du gelenkige Glieder und flinke Beine?» «Nein, das brauche ich nicht, denn ich mag nicht pressieren. Wer zu sehr eilt, wird langsam fertig und kommt zu spät heim.» «Willst du das Tischleindeckdich?» «Ja, das lässt sich hören, da habe ich wenigstens stets zu essen und zu trinken, so lang ich lebe.»
Da langte der Riese mit seiner haarigen Hand in einen hohlen Baum, zog das Tischleindeckdich hervor und gab es dem Peter und dann sprang er mit gewaltigen Sätzen davon, dass es nur so krachte und knackte im Holz. Der Peter aber befahl den Knüppel wieder in den Sack, nahm das Tischchen auf die Achsel und wanderte weiter. Nachdem Peter eine gute Stunde fortgegangen war, kam er an eine grüne Matte. Da saß ein lahmer Mann, ganz verhudelt und zerlumpt, und der Hunger schaute ihm zu den Augen raus. Peter setzte sich zu ihm, stellte das Tischlein vor sich hin, und siehe, da war schon aufgetragen, was das Herz begehren und den Gaumen netzten mochte. Der Peter ließ sich's schmecken und schob dem Bettler Braten und Wein zu und hieß ihn wacker zugreifen. Als sie gegessen hatten, sprach der Bettler: «Wie soll ich dir's vergelten, dass du mich davor bewahrt hast, Hungers zu sterben? Wünschest du dir Glück?» - «Nein, das brauche ich nicht, denn des Glückes kann sich niemand erwehren, es kommt über Nacht und liegt auf der Straße, und man stürchelt darüber, aber es behalten, das ist die Kunst. Und überdies: Das Glück hilft dem nicht, der sich nicht selber hilft. Freilich, wem das Glück pfeift, der tanzet wohl, aber wem das Glück die Hand bietet, dem schlägt's gern ein Bein unter, denn Glück und Unglück tragen einander auf dem Rücken und wandern auf einem Steig.» «Wünschest du dir vielleicht Ruhm?» «Sei kein Tor, was sollte ich auch damit anfangen. Wer Ruhm erlangen will, muss viel schnaufen, und am Ende bringt der Ruhm zu Fall.» «Willst du das Wunschhütlein?» «Ei, das lässt sich hören, das fehlt mir grad noch, denn dann brauch ich mir die Schuhe nicht mehr ablaufen, wenn ich wohin will.»
Da zog der Mann aus seinem löchrigen Ranzen ein graues Hütlein hervor, gab es dem Peter und humpelte an seinen Krücken davon. Peter aber blieb gemächlich im Grase sitzen und dachte: «Hei, du möchtest schon lange auch einmal eine große Stadt sehen!» Und schon hatte er sich das Hütlein aufgesetzt und sich nach der Hauptstadt des Königreichs gewünscht. Und da stand er auch schon vor dem Schlosse, das war gar prächtig zu schauen mit seinen weiten Toren, hohen Türmen und schimmernden Fenstern, dahinter zahlreiche Diener in goldbetreßten Feckenröcken hin und wider liefen. Der Peter schaute und staunte. «Eh», dachte er, «dumm bin ich gewesen, dass ich mir nicht gewünscht habe, selber König zu sein.» Im selben trat die Königstochter mit ihren Zofen aus dem Schloss, um einen Spaziergang im Park zu machen. Der Peter meinte nichts anderes, als, es wäre ein Engel vom Himmel, der da an ihm vorüberwandle, so schön war die Prinzessin. Und er dachte bei sich: «Ja, war' ich jetzt ein Prinz, dann könnte ich die schöne Königstochter grad zur Frau bekommen. Dass ich die drei dummen Wünsche tat! Aber so ist's, man ist immer gescheiter hintendrein. Aber ist das Glück auch verspielt, so brauche ich drum den Mut nicht verlieren. Bin ich auch kein Prinz, so bin ich doch der Peter, und fragen steht frei.» Und damit ging er geradewegs in das Schloss hinein, und ließ sich von einem Lakeien den großen Saal zeigen, wo der König inmitten seines Hofstaats auf dem Throne saß und eben regierte. Lange stand der Peter da und schaute ihm zu. Dann trat er unverzagt vor den König und sagte: «Herr König, ich bin der dumme Peter und komme Euch zu fragen, ob Ihr mir Eure Tochter zur Frau geben wollt oder nicht.»
Da lachte der König, dass ihm der Bauch wackelte, und sagte: «Ei ei, mein lieber Peter warum nicht gar? Aber wer freien will, und zumal um eine Königstochter, der darf nicht mit leeren Händen kommen. Alles in der Welt hat seinen Wert und Gegenwert. Was hast du denn zu bieten?» «He nun, da ist für's erste das Tischleindeckdich», sagte der Peter, stellte es auf den Marmorboden und ließ auf der Stelle Speise und Trank kommen. Der König kostete Braten und Wein, und siehe, alles deuchte ihm besser, als Koch und Kellermeister im Schlosse es ihm alle Tage beschafften, und er sagte gnädig: «Gut, dein Tischlein nehme ich an. Aber die Gabe ist doch zu klein. Hast du nicht noch mehr zu bieten?» «Ja, nun denn, so nehmt halt auch noch das Wunschhütlein!» antwortete der Peter und reichte ihm den grauen Filz. Der König setzte es auf und probierte es gleich aus, indem er sich nach Wunsch an verschiedene Orte seines Landes versetzte. Als er aber wieder auf dem Throne saß, da sagte er: «Gut, ich nehme auch dein Hütlein an, Peter, meine Tochter aber kann ich dir nicht geben, da du kein Prinz bist.» Jetzt aber wurde der Peter ganz furibund, dass der König ihn so zum Narren halte, wo er ihm doch vorhin die Prinzessin so gut wie versprochen habe. Da wurde auch der König zornig. «Jetzt aber ist's genug», schnarzte er und gebot seinen Wachen, sie sollten den frechen Burschen hinauswerfen. Aber, o heie, da kamen sie übel an, denn der Peter rief mit schallender Stimme wie ein General: «Knüppel aus dem Sack!» und da tanzte der Knüppel schon aus dem Sack hervor und schlug tatsch prätsch auf die Soldaten ein. Und mitunter bekam auch der König einen Hieb oder zwei ab, wenn er zu nahe trat, um die weichenden Gardisten anzufeuern. Es half aber nichts: bald waren alle hinausgelaufen, und jetzt machte der Knüppel sich an den König. Der aber fing gleich an zu bitten und sah aus, als wenn er nichts mehr zu befehlen hätte und versprach dem Peter hoch und teuer, dass er die Prinzessin sicher und gewiss zur Frau bekommen solle. Da kommandierte der Peter den Knüppel wieder in den Sack, und rief selber die Wachen wieder auf ihren Posten. Der König aber ließ seinen Hofschneider prächtige Kleider herbeibringen aus Sammet und Seide, Gold und Brokat, wie nur Könige, Fürsten und Grafen sie tragen, und als Peter sie angelegt hatte, und neben dem König auf einem goldenen Sessel saß, da glaubte der König selber schier gar, er wäre ein geborener Prinz, so stattlich sah er aus. Jetzt kehrte die Königstochter von ihrem Spaziergang zurück, und als sie zu ihrem Vater trat und ihn begrüßte, indes ihre Zofen zierlich knixten, da sagte er: «Unverhofft kommt oft, mein Kind. Du kommst just zu guter Stunde: Hier, dieser junge Herr, ist dein Bräutigam, man sagt ihm nur der dumme Peter.» Die Prinzessin wurde rot wie eine Hagebutte im Spätsommer; denn der schmucke Jüngling hatte es ihr auf den ersten Blick angetan, wenn ihr auch der Name nicht eben sonderlich gefiel, und sie sagte nicht nein, als ihr der Peter einen Kuss gab mitten auf den Mund.
Als sie aber mit ihm allein war, sprach sie: «Hör, Peter, wenn ich deine Frau werden soll und du mein Mann, denn darfst du nicht mehr der dumme Peter heißen. Du hast mehr Witz als alle andern miteinander hier im Schloss, das hab ich schon gemerkt. Aber du bist nur eben so viel gesalzen, dass du nicht faulst und hättest gern einen Herrn, der dir sieben Feiertage auf die Woche gibt. Aber, bedenk, die Faulen kehren sich lange im Bett und wenden dem Teufel den Braten.» Das hörte der Peter zwar nicht eben gern. Aber die Königstochter zur Frau haben, das wollte er, und so versprach er ihr, den Faulpelz auszuklopfen, ehe die Schaben ihn fräßen. Und er hat redlich Wort gehalten. Und unlang, so war der Peter wie aus der Haut geschloffen: busper, regsam und schaffig vom Morgen bis zum Abend; denn er musste dem alten König mit den Staatssachen helfen, und das gibt gar viel zu tun. Und jetzt erst zeigte sich sein Witz so recht, und bald galt er als der klügste Prinz weit und breit.
Nachdem die Zeit des Brautstandes vorüber war, ward die Hochzeit mit aller Pracht gefeiert. Am Abend des Hochzeitstages aber schenkte der Peter dem alten König auch den Knüppel im Sack; denn der fürchtete immer, sein Tochtermann möchte sich einmal im Zorn vergessen und ihm den Knüppel wieder auf den Leib schicken; er hatte für immer genug von dem einen Mal. Der Peter aber lebte mit seiner Frau in lauter Glück und Wohlergehen. Sie bekamen zwei Buben und ein Mädchen. Und als der alte König starb, setzte Peter sich die Krone auf, nahm das Szepter in die Hand und hat Land und Leute so trefflich regiert, dass man ihn Peter den Weisen nannte. Und als er hochbetagt sein Leben endigte, da errichtete ihm das Volk ein prächtiges Grabmal. Auf seinen Wunsch begrub man ihn mit dem Knüppel im Sack, dem Tischleindeckdich und dem Wunschhütlein.
Quelle: Schweizer Märchen, Sagen und Fenggengeschichten, hrg. von Curt Englert-Faye, Zbinden Verlag
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.