Gründungslegende
Graf Eberhard [von Nellenburg] hatte viele Güter, sowohl im Schwabenland als auch im Elsass. Er war aber im Zweifel, wo er sein Gotteshaus erbauen sollte. Vor allem hatte er großes Gut, das sich viele Meilen weit von der Nellenburg bis an den Rhein, bis nach Schaffhausen erstreckte. Nun ersuchte er alle guten Leute überall, dass sie Gott bäten, ihnen zu zeigen, wo ihm ein Gotteshaus angenehm wäre. Und da er dies getan, fuhr er hin gen Rom zu den heiligen Aposteln Petro und Paulo, auch diese bittend, dass Gott ihm die Stätte anzeigen möchte. Und die Apostel Petrus und Paulus erzeigten ihm die Gnade, als er auf der Heimfahrt war, indem sie es einem guten Mann erzeigten, wo das Gotteshaus dem Herren angenehm wäre, wie wir hier sagen wollen:
Wo nun das Kloster und die Stadt Schaffhausen liegen, war zu selbiger Zeit ein ungeheurer Wald und berüchtigt in allen Landen des Mordens wegen, das dort geschah. Der vielen Mordtaten wegen, die in diesem Wald geschahen, nannte man ihn den Schachwald. Er war sehr groß, und keine menschliche Wohnung war ringsum. Wo nun das Kloster steht, da saß ein armer Mann beim Rheine in einer Hütte, der führte die Leute hinüber und herüber über den Strom. Das Häuschen, in dem er wohnte, hieß das Schafhus, denn er war auch Schafhirt.
Der Wald aber gehörte dem Grafen Eberhard, der, wie wir schon gesagt haben, bevor er nach Rom fuhr, den frommen Mann fleißig gebeten, er möge es Gott anheimstellen, ob er ihm anzeigen möchte, wo er sein Kloster bauen solle. Als dieser nun eines Tages im Gebete lag, und Gott diese Sache empfahl, geriet er in süße Andacht und sah eine Rute aufsteigen an dem Orte, da nun die Kapelle der heiligen Urstend sich erhebt, die auch St Erhardskapelle heißt. Diese Rute aber stieg immer höher und schien bis in den Himmel zu wachsen. Auf ihrer Spitze aber funkelte ein goldenes Kreuz. Dies Gesichte erzählte der gute Mann dem seligen Grafen Eberhard.
Dieser befahl nun, am selbigen Orte Holz und Dornen auszureuten, baute daselbst eine Kapelle und ließ darin drei Altäre errichten.
Stiftergrab-Legende
Am Grabe Eberhards im ersten Münster geschahen «Zaichen», das heisst Wunder, nämlich:
Heilung von solchen, die vom Teufel besessen waren
Heilung von Lahmen,
Heilung von Stummen,
Beschämung und Bestrafung eines hoffärtigen Ritters,
der sich vor dem Grabe ungebührlich benahm.
Säulenwunder beim Bau des dritten, jetzigen Münsters
Es geschah auch ein groß Wunder mit den Säulen, die jetzt noch im Münster und seiner Vorhalle stehen, sogar zwei Wunderzeichen, merk’ es wohl!
Diese großen steinernen Säulen, die jetzt im Münster stehen und davor, wurden dem seligen Grafen Burchard einst am Meere gezeigt, worauf er einen reitenden Knecht hinsandte, wo die Säulen lagen, die das Eigentum einer Frau waren, die sie feil bot. Der Abgesandte Burchards sollte ihr die Säulen abkaufen, und er kam mit ihr überein, ihr Pfenning um Pfenning vorzuzählen bis die Säulen an ihrem Bestimmungsort wären. Er fing auch an zu zählen, als die Säulen aufgeladen wurden zur Abfahrt. Als er der Frau dreißig Pfenning vorgezählt, kamen auch schon die Leute und berichteten ihm, dass die Säulen schon an dem Orte wären, wo sie hingehörten. Dess verwunderte sich Graf Burchards Knecht gar sehr, er machte sich stracks auf den Weg nach Schaffhausen und fragte nach den Säulen. Dort waren diese zur besagten Stunde angekommen. Also wurden die Säulen aufgerichtet und jegliche geordnet, wie sie noch heutigen Tages stehen, und so wurde das Münster ausgebaut, wie es noch heute steht.
Ein anderes Säulenwunder
Von disen sülen, so von grawem Sandstein gmachet, sagt man wit und breit, und gedenkend ouch die geschichtschriber iren als Munsterus [gemeint ist der Kosmograph Sebastian Münster] und andere. So wellend etlich, [dass] semliche sül nit gehowen, sonder gegossen sin. Es habend ouch die alten münchen irem bruch nach fabuliert, wie dise sül, nachdem si uf die hofstat kommen, in einer nacht sich selber ufericht habind on alle mendschliche hilf.
Säulensymbolik
Die Säulen «werdend gezelt nach der zal der zwölf apostlen, darunder die Judam den falschen apostel bedütet, so uf der siten gegen dem crützgang einen zerspaltnen und gebrochnen köpf hat, dermassen daß man im mit isen zühilf kommen müessen».
Aus: R. Frauenfelder, Sagen und Legenden aus dem Kanton Schaffhausen, Schaffhausen 1933.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch