D’Frau Faschte nimmt es ufölgigs Ching
Einisch het e Muetter es ufölgigs Buebli gha. „Wart ume“, het d’Muetter dröiht, „d’Frau Faschte chunnt de.“ Aber ’s Buebli het si dessitwäge nüt gachtet un i eim furt gchäret u zwängt. Du het d’Muetter im Verschleikten a d’Wang gchlopfet u gseit: „Los, los! Ghörsch’sche? Jetz isch’schie do.“ Aber ’s Buebli het si nüt dra gchehrt. Äs het grediuse brüelet u si am Bode desume trölt. Wo-n—es nid het wellen äbgä, het d’Muetter ’s Pfäischter ufto, ’s Buebli gno u voruse gha: „So, jetz, Frau Faschte, chumm nimm’s.“ Im glichen Augeblick nimmt eren öpper ’s Ching us de Hänge, u’s chunnt ewägg. Nie meh het men öppis von ihm gfunge‚
Schon als wir den Namen der Frau Fasten zu deuten suchten, begegnete uns weibliche Dämonen mit andern Namen, die aber in ihrem Wesen teilweise nur Auftreten und Tun unserer Frau Fasten wiederholen. Aber noch unter andern Namen, die ich nicht alle anführen will, kehren ähnliche weibliche Dämonen wieder. Frau Holle oder Holda, von der auch das Märchen erzählt, tritt im Norden Deutschlands auf, Frau Perchta im Süden. Einzelne Züge der Perchta glitten auf die Königin Berta über, die Gemahlin Rudolfs II. von Burgund, welche, ähnlich wie Frau Holle, fleissige Spinnerinnen besonders lohnt. Frau Fasten oder das Fraufastenmütterli erscheinen nur im Südwesten des deutschen Sprachgebietes. In der Schweiz entsprechen diesen Gestalten die Frau Zälti, die Sträggele des Luzernerhinterlandes, die auch in Begleitung des Dürst auftritt, die Chrungele, die Frau Chunkle oder die Frau Chlungeli. Im Volksbrauch erhielt sich die Erinnerung an sie noch besser als in der Sage; Iärmende Umzüge, meistens in bestimmten Dezembernächten, die Chlungelinacht, die Sträggelenacht, die Stupfnasenacht, in welchen das Auftreten der schreckenerregenden Weiber nachgeahmt wird, erhielten sich in verschiedenen Gegenden der Schweiz. Im Kt. Bern aber können ähnliche Volksbräuche bis heute nicht nachgewiesen werden; die Chlungere des Bernischen Mittellandes, die an der Fastnacht auftraten, erinnern allerdings wieder, wenigstens dem Namen nach, an die Frau Chrungele. Vielleicht geriet bei uns ein ähnlicher Brauch, der wohl auf heidnisch-kultische Umzüge zurückgeht, in die Fastnachtsbräuche hinüber, in ihnen zum Teil aufgehend.
Einzelne Züge, die Frau Holle kennzeichnen, kehren allerdings in unseren Sagen von der Frau Fasten nicht wieder. So tritt auch Frau Fasten nirgends wie etwa die Sträggele oder die Frau Holle als Führerin des Seelenheeres auf; fast scheint es, man dürfe die Frau Fasten einzig aus dem Hexenwahn verflossener Jahrhunderte herleiten; aber auch hier ist es besser, von Ursprüngen zu reden als nur von einem Ursprung.
Besonders in den „Zwölften“, um die „heiligi Zit ume“ erscheint sie; einzelne Züge entsprechen ganz dem Wesen der Frau Holle; auch Fasten gehört zu den Seelne, die im Wind daherkommen; denn die Überlieferung gibt uns heute auf einem eng beschränkten Gebiet nicht mehr alles, was einmal zu ihrem Wesen gehörte.
Über den eigentlichen Ursprung dieser weiblichen Dämonen sprechen sich die Forscher recht verschieden aus. Früher glaubte man in den Sagen, die von ihnen erzählen, allgemein verdunkelte Erinnerungen an eine germanische Göttin zu erkennen. Aber ähnlich wie bei der Erscheinung des wilden Jägers gehen heute die Meinungen weit auseinander. Niemand bestreitet die Möglichkeit, dass in den Sagen Reste germanischen Götterglaubens enthalten sein dürfen. Aber die Vorsichtigen wagen den Schritt nicht, die Erscheinung dieser weiblichen Dämonen kurzweg als die Erinnerung an die „Gemahlin Wodens Freya oder Perachta, die Göttin der Fruchtbarkeit“ zu erklären, wie es vielfach geschieht, und lehnen die Beweismittel, mit denen einzelne umgehen, als blasse Hypothesen ab.
Eine kurze Erzählung erwähnt Frau Vrene. Sie entspricht am ehesten der Frau Vrene oder Venus des Tannhäuserliedes. Wenn Frau Venus Jahresregent ist, so erwartet man bei uns ein nasses Jahr; „de so eini isch sie.“ Auch Frau Vrene wird öfters auf Freia-Venus zurückgeführt. Ein Vergleich der Sagen, in denen von diesen Dämoninnen erzählt wird, zeigt uns, dass sie alle ähnliche Züge besitzen; wie die Göttinnen der Germanen gleiten auch sie in ihrem Wesen beständig ineinander über.
M. Sooder, Sagen aus Rohrbach, Huttwil 1929
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.