Dr Willading

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Dr Willading

Äs isch allwäg lang sider, du isch uf em Schloss z’Thunstette e Her gsi; Willading het er gheisse. Das isch ganz e wüeschte gsi mit de Lüte; die hei ne gschoche u sin ihm gfloh, u so wit er het möge gcho, het er alls ploget u drangseliert.

Z’Bützberg niede het er Land gha; das isch äi Rung ganz unger Wasser gsi; mi seit de Matte dert no hütigstags dr Riedsee. Du het er e Grabe lo mache, dr Riedseegrabe, gäge Schörlishüsere abe, für em Wasser chönnen en Ablauf z'gä. D’Lüt hei ihm müesse Frondienst tue, gäb wie's ne vor dr Arbeit gruset het. Aber dr Willading het e herte Chopf gha, u was isch dinne gsi, het müesse düregsetzt si. We bis denn u denn, so het er wüescht to u gschwore, dr Grabe nid fertig sig, so söll ne ’s Donnerwätter erschiesse. Aber dr Grabe isch bis zu der Zit, wo dr Willading gseit het, nid fertig worde; es isch länger gange, weder dr Her gmeint het.

Drufache het dr Willading nümme rächt vo deheime furt dörfe, we’s a angerem Wätter umegmacht het. Nume bi schönem het er’s gwogt furtzgoh.

Einisch isch e schöne Tag ime Wärch inne gsi; dr Himmel isch blau gsi, u wit u breit e kes Wülchli. Du het er lo sattle un isch mit de Hünge furt‚ für go z’jage. D’Lüt‚ wo-n-ihm hei nohgluegt, hei gseh wie-n-er z’dürab isch gäge de drei Linge, wo a dr Stross stöh, we me vo Bützberg gäge Langete geiht. Aber du isch am heiterblaue Himmel es Wülchli cho z’rite; im Hangumdräihe isch es bi de Linge gsi; e Blitz un e Schlag, u dr Willading isch e Lich gsi!

Sider chunnt, we’s strubusset u strüberet, dr Willading. D’Ammarei, die isch scho äi Rung, wo’s mer’s erzellt het, es alts Fraueli gsi u sider scho lang gstorbe, die het nen einisch gseh, wie-n-er i dr Längmatt düren isch. Ruch isch er derharcho; Hüng hei brüelet; i der Luft het’s g’jagt, u dr Willading het de Hünge grüeft u se ghetzt. Aber das isch verbi, wie ne Chutt, im Augeblick; druf isch alles still worde, u nume no im Gras het me dr Streife gseh, wo-ner düren isch.

Einisch si Ching i Buregrot go ge beere. Uf ’s Mohl si sie cho heizspringe u hei gseit‚ im Wald sig e Riter uf eme drübeinige Schimel duregsprängt. Das isch dr Willading gsi.

Vom Schloss z’Thunstette geiht en ungerirdische Gang bis i d’ Längmatt abe; en angere geiht i d Chilen übere zum Taufstei; do lit e Platte, u drunger isch e Stäge, wo zu däm Gang abegeiht. Die Gäng hei dr Willading lo mache.

Einisch amen Obe isch es gsi. Dr Vater u mir Burscht si grad vom Mäihe heicho gsi u si no vor em Hus gstange. Do isch es cho, ’s Wälschlang ab, es het gchuttet u gchroset. I bi gleitig hinger ne Baum wo näbem Hus gstangen isch. Vom Landvogt u vom Ross han i nüt gseh, aber d’Hüng ganz guet‚ schwarz- u gälbgfläckti. Jo, im Wärch inne, do het me gwüsst‚ dass ’s Wätter tuet umschlo un isch nid go mäihe!

I ha au scho vom Willading ghört‚ vom alte Chüeffer, wo gstorben isch. Dä het gseit, är sig einisch, wo-n-er no chlin gsi isch, mit dr Muetter i Wald go Holz reiche. D’Muetter heig ufglade. Do säg er zue re: „Muetter, gsehsch dert dä Ma uf em wisse Rössli?“ Du heig d’Muetter dr Chare lo stoh u sig ne go näh u was gisch was hesch mit ihm gäge hei zue.

Der Führer der wilden Jagd heisst in unsern Sagen der wilde Jäger oder der Dürst; eine Sage erzählt von einem Ritter auf weissem Rosse. Dürste bedeutet mittelhochdeutsch nichts anders als Riese. An manchen Orten erhielt der Anführer den Namen von strengen Gewalthabern; das ist auch in unserer Nähe der Fall. In Aarwangen und Bützberg tritt, ähnlich wie der wilde Jäger, der Willading auf; der Name erinnert noch immer an die ursprüngliche Bezeichnung des Dämons; aber die Annahme, dass der Name auf den Landvogt Niklaus Willading zurückgehe‚ der, auf Schloss Aarwangen residierend, während der Zeit des Bauernkrieges rücksichtslos die Interessen seines Standes vertrat, scheint einige Berechtigung zu haben. Von den mannigfaltigen Namen, die dem wilden Jäger und der wilden Jagd gegeben werden, verdienen einzelne besondere Beachtung. Wode heisst der Führer des Seelenheeres in Norddeutschland, und in der Nord- und Ostschweiz kehrt die wilde Jagd oder das Heer der Seelen unter dem Namen „’s Wuetis Heer“ wieder. Man führt die beiden Namen auf den Gott Wodan zurück und sieht in den Sagen von dem Totenheer und dem wilden Jäger Reste germanischen Götterglaubens.

Wahrscheinlich trat die wilde Schar, das Heer der Seelen, die Toten im Wind, im Glauben der germanischen Völker zuerst auf. Entsprechend irdischen Verhältnissen wurde der Schar ein Führer gegeben: Wode, dem ähnlich wie heute nur die Eigenschaften eines Dämons zukamen. Aber die Entwicklung schritt weiter. Wode löste sich ganz vom wilden Heer ab und gelangte, allmählich Ziu, den alten Lichtgott verdrängend, der noch in unserem „Zischtig“ fortlebt‚ als Wodan an die Spitze der Götter. So brächte Wotans Aufstieg die psychologische Entwicklungsreihe Seele - Geist - Dämon - Gott mehr oder weniger deutlich zum Ausdruck. Die Geschichten aber, die heute vom wilden Jäger erzählt werden, zeigen nicht Züge, die einem Gott zukommen; sie kennzeichnen das Wesen eines Dämons, der im Winde daherbraust‚ den Spötter furchtbar bestraft und keine Zeugen seines Treibens haben will.

Die Annahme, dass Wode mit dem Namen „Wodan“ in Beziehung stehe, wird auch gestützt durch die Etymologie. „Wode" wird mit Wut übersetzt; Wut = althochdeutsch „wuot“. „Wodan», althochdeutsch „Wuotan", dürfte auf die gleiche Wurzel zurückgehen. Die ursprüngliche mythologische Vorstellung des „wütenden Heeres“ beruht auf althochdeutsch Wuotanes heri (Kluge, Ethymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache)."

Aber zu einem Ergebnis, das allgemein und auch in Einzelheiten als richtig anerkannt wäre, kam die Forschung bis heute noch nicht. Eines geht sicher nicht an: Wodan darf nicht, wie es vielfach geschieht, dem nordischen Odin gleichgestellt werden; im Norden entwickelte sich der Mythus weiter, während im Süden die Entwicklung zum Stillstand kam; das Christentum fand früh Eingang und bereitete dem germanischen Götterglauben allmählich ein Ende; recht wenig blieb im Volksglauben von ihm erhalten. Die Reste heidnischer Vorstellungen, wie sie heute als Äusserungen in Brauch, Sitte und Glauben in Erscheinung treten, lassen sich selten aus dem Glauben an die Götter der Germanen herleiten. Sie führen in der Regel in eine Zeit zurück, die vor aller Geschichte lieg, in die Kindheit der Menschen, da noch ein primitiver Zauber- und Geisterglaube das Denken beherrschte und jede Entwicklung in den Anfängen stand. Aus dem Glauben der Vorzeit erwuchsen auf einem langen Wege der Entwicklung die Götter; die primitiven, ursprünglichen Vorstellungen erhielten sich neben den höhere Formen des Glaubens und begleiteten, selbst dem Christentum trotzend, den Menschen von den Anfängen der Kultur bis in die heutigen Tage hienein. Die Erinnerung an die Götter dagegen verblasste und schwand bis auf geringe Reste aus dem Gedächtnis des Volkes. Auch mit den Sagen von Zwingherren tritt die Sage von den Toten im Wind in Verbindung.

M. Sooder, Sagen aus Rohrbach, Huttwil 1929

 

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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