Von der Gründung des Stiftes Embrach
Zu der Zeit, als die Grafen von Kyburg ehrlich und wohl regierten, nahmen sie zu an Gut, Ehre, Leuten und Land, und es begaben sich gar viele Adelige unter ihren Schutz. Die bauten nun überall starke Häuser für sich und ihr Gesinde. Nun war Embrach und jene ganze Gegend eine rauhe Wildnis von Wald und Bergen. Dahin setzten sich etliche Adelige mit ihrem Volk, rodeten die Wildnis und bauten die Festen Geilsberg, Wagenberg, Sal, Blauen, Grafensbühl, Moosbrunnen, Baltenberg, Rüdenegg und Freienstein. Diese Burgen standen ... so nahe beieinander, dass man von einer zur anderen rufen konnte.
Diese Edelleute kamen überein, für sich und ihre Gesinde eine Kirche zu bauen. Die wurde da, wo es noch im Kilchacker heisst, zu bauen begonnen. Aber was sie an Baumaterial zuführten und den ganzen Tag rüsteten, kam nachts alles weg und wurde den andern Tag auf dem Boden, wo das Gotteshaus Embrach jetzt steht, gefunden. Hier wurde die Kirche gebaut.
Nun waren unweit der Feste Freienstein, auf dem Berg, der Irchel heisst, zwei Waldbrüder, deren einer fromm, der andere aber ein grosser Schalk war. Dieser schlug den andern aus teuflischem Neide tot, legte ihn in seine Stube, zündete das Haus an und tat, als ob es aus unbekannter Ursache verbrannt wäre. Als das Feuer auflohte, liefen viele Leute herzu und fanden darin den Bruder unversehrt. Da kam der Schalk, der ihn ermordet hatte, auch herbei und jammerte sehr um seinen Bruder. Wie er sich ihm aber nahte, begann der Tote zu bluten. Da ergriff man den Mörder, der seine Tat sofort gestand. Er wurde dem Landgrafen zu Kyburg überantwortet und nach Verdienst gerichtet. Den Leichnam des Ermordeten führte man nach Embrach und begrub ihn in der Pfarrkirche.
Quelle: K. W. Glaettli, Zürcher Sagen 1970, Unterland
Nach Brennwald I, 96 ins Neuhochdeutsche übertragen, sonst unverändert. Übrige Quellen: Mem. Tig. 1742, S. 117; Scheuchzer, Beschreibung der Naturgeschichte des Schweizerlandes, Bd. I, S, 2; darnach Kohlrusch, S. 298; J. R. Wyss, Volkssagen, 2. Band, Bern 1822, S. 33; Stauber, S. 68; Hedinger, S. 7.
Die Sage ist im Laufe der Zeit mit jener von der Blutbuche verknüpft worden, ist aber noch wohl zu unterscheiden davon. - Zur Gründung von Embrach noch den Wortlaut von Mem. Tig. 1742, S. 117:
... „der Ermördete aber zu Embrach begraben, über sein Grab ein Capell gebauet, er für einen Heiligen verehrt, und dahin Wallfahrten angestellt, also, dass nach und nach grosses Gut dahin vergabet mithin aus Bewilligung der Grafen von Kyburg daselbst ein Closter der regulirten Chorherren gebauet worden. Von obigen Mörden oder Umbringen her solle, nach einiger Meynung das Stift Umbrach oder Embrach genannt worden seyn.“ Quelle dazu: Murer, Helvetia Sancta. Nach Murer soll der Name des ermordeten Heiligen „Emericus“ gewesen sein. Darnach bei J. R. Wyss „Embricus“.
Das Chorherrenstift in Embrach wird bereits am 4. 6. 1044 genannt (Zürcher Urkundenbuch, Nr. 233); es wurde anlässlich der Reformation aufgehoben. Zur Geschichte des Stiftes vgl. R. Hoppeler, Das Kollegialstift St. Peter in Embrach (Mitt. d. Ant. Ges. in Zürich, Bd. 29 (1921/22).
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.