Die Eglisauer Hirschsage
Im kalten Winter 1523 liess sich in der Nähe von Eglisau oft ein Hirschpaar bIicken. Die stattlichen Tiere kamen häufig zutraulich bis an den Totenacker, wo sie dann besonders von der Jugend gefüttert wurden. Im folgenden Frühjahr fand man die Hirschkuh tot am Buchberg. Fast täglich erschien der Hirsch an einem kleinen Wasserlauf, der viel mineralisches Salz enthielt und dem Wild recht bekömmlich war. Da der Hirsch aber immer aus dem gleichen Quell sich labte, wurden allmählich die Bewohner der Umgegend aufmerksam; sie kosteten das Wasser auch und fanden es derart angenehm und ihrer Gesundheit zuträglich, dass nach und nach das vortreffliche Wasser von der ganzen Bevölkerung genossen wurde, nicht nur um den Durst zu löschen, sondern auch gegen allerlei Krankheiten. Nun blieb aber der Hirsch eines Tages aus und liess sich nicht mehr sehen. Zum Danke dafür, dass er den kostbaren Quell entdeckt hatte, bezeichneten ihn die Eglisauer als Wappentier, und noch heute führt ihn die Gemeinde im Wappen.
Allmählich kam die Benützung der Quelle in Abgang, und erst 1822 ward durch Zufall das heilkräftige Wasser wieder aufgedeckt. Seither dient es Gesunden und Kranken zur Labung.
Quelle: K. W. Glaettli, Zürcher Sagen 1970, Unterland
Stauber, S.65, ohne Quellenangabe. Die Überprüfung dieser „Sage“ brachte einen gossen Schwindel an den Tag. Wenn K. W. Glaettli das Stück so stehen lässt, so als Mahnung an alle Sagenforscher. Die Berichtigungen verdankt er den Herren Dr. Heinrich Hedinger in Regensberg und Pfarrer Brassel in Eglisau. Letzterem fiel schon 1928 bei der Lektüre von Staubers Sagen auf, dass er die Geschichte im gleichen Wortlaute in einem Inserat der „Mineralquelle Eglisau AG“ gelesen hatte. Er begab sich dann zu Notar Haller, damaligem Mitbesitzer der Quelle und befragte ihn nach der Herkunft der „Sage“. Dieser rief in Anwesenheit Brassels seinen früheren Reklamefachmann telefonisch an, der prompt erklärte, die Geschichte sei von a bis z erfunden! - Die Quelle wurde 1822 in einer Tiefe von 240 m erbohrt und konnte nicht dreihundert Jahre früher an der Oberfläche erscheinen. Pfarrer Brassel erkundigte sich hierauf bei Dr. Stauber, woher er die Sage bezogen habe und dieser berichtete, er habe sie aus dem „Freisinnigen“ (Vorgänger des Zürcher Oberländers, Wetzikon) ausgeschnitten. Ob sie dort als Inserat oder schon als „Sage“ deklariert im Textteil erschien, war nicht mehr zu ermitteln. Mitteilung von Pfarrer Brassel, 16. 01. 1959.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.