1. Zwei Reusstaler Ratsherren, mit dem Schwert umgürtet, kamen aus der Ratsversammlung. Da hörten sie am Wege eine Katze fürchterlich schreien. Der eine ergriff seinen Säbel und schlug dem Tier damit grad den Schwanz ab, den er zuhanden nahm und um seinen Hut band. Daheim fragte die Frau: »Was hesch etz dü da fir-nes G'schlämp uf-em Hüet?« »E! ä Chatzäschwanz,« sagte der Ratsherr, nahm den Hut ab und wollte alles erzählen. Was er jetzt aber am Hute fand, war ein Ende von einem roten Unterrock.
Christina Exer, Silenen
2. Albin Gnoss von Bristen hatte schon öfters beim z'Stubätägah auf dem hölzernen Geländer der Talbrücke im Maderanertal eine schwarze Katze beobachtet, die ihn, freundlich schwänzelnd, über die Brücke geleitete. Hatte er die Brücke passiert, so machte sich das Tier davon und verschwand im nahen Kalk- oder Schmelzofen im Obermattli. Als er einst aus dem Militärdienst nach Hause zurückkehrte und nachts zwischen 11 und 12 Uhr die Brücke beging, sass die Katze wieder auf ihrem Posten. Albin ergriff gleitig das Bajonett und trennte ihr mit einem kräftigen Hiebe den Schwanz vom Rumpfe. Mit furchtbarem Jammergeheul fiel das Tier in den Bach hinunter. Der Wanderer steckte den blutenden Schwanz, der auf die Brücke herabgefallen, in den Sack. Am nächsten Morgen wollte er ihn näher besichtigen, aber da zog er statt des Katzenwedels ein Rockende von einem Weiberkleide aus dem Sack! Jä, mä seit susch: »D'r d'Nacht sind all Chatzä-n-alt Häxä!«
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.