Früher, so erzählen es die Alten, hatte jedes Freiburger Dorf seinen Tanzplatz. An bestimmten Tagen versammelte sich dort das ganze Dorf und tanzte die Coraule, den Kreistanz – nur die Priester blieben zu Hause, wehe, einer von ihnen gesellte sich zum tanzenden Volk!

So war es auch in Estavayer. Alle versammelten sich auf der Place de Moudon. Die Coraule begann, es bildete sich ein grosser Kreis, und die Musik und der Gesang klangen weit über den See hinaus. Das hörte auch ein junger Mönch. Seine Neugierde trieb ihn näher dem Kreis der Tanzenden zu. Er stand da staunend und selbstvergessen, als auf einmal rechts und links Hände nach ihm griffen und schon war der Mönch Teil der Coraule. Er drehte und drehte sich, gab sich dem Tanz, der Musik und dem Gesang hin, vergass seine Mönchkleider und die Verbote, ganz gefangen in den wirbelnden Bewegungen der Coraule.

Die Stunden vergingen, die Nacht kam, doch der junge Mönch drehte sich weiter und weiter, bis die Glocke des nahen Klosters Mitternacht schlug. Da fiel er erschöpft zu Boden und hauchte mit einem Lächeln im Gesicht sein Leben aus.

Er hatte die Strafe für das verbotene Tanzen erhalten und musste von nun an mehrere hundert Jahre lang immer um Mitternacht auf der Place de Moudon die Coraule tanzen. Dieser Geist erschreckte die Bürger von Estavayer so sehr, dass niemand es mehr wagte, eine Geige hervorzuholen oder die Coraule zu tanzen, denn dann hätte er sich dem büssenden Geist anschliessen und bis zum ersten Sonnenstrahl im Kreis tanzen müssen. Manche, denen dies geschehen war, verloren ihren Verstand.

So kam es, dass die Coraule in Estavayer verschwand und nur noch heimlich getanzt wurde. Wer weiss, vielleicht tanzt der junge Mönch im Jenseits immer noch.

Fassung Djamila Jaenike, nach: „La Coraule du Moine“, aus: J. Genoud, Légendes Fribourgeoises, Fribourg 1892. Aus dem Französischen übersetzt, und neu gefasst unter Mitwirkung von Rita Riedo © Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch