Der Jäger, das Krokodil und der Hase

Land: Senegal
Kategorie: Fabel/Tiermärchen

Einmal trieb die Flut ein Krokodil so weit vom Fluss weg, dass es nicht mehr zum Wasser zurückfand. Es hatte Hunger und Durst und wurde von Stunde zu Stunde schwächer.

Da kam ein Jäger vorbei, sah das Krokodil und fragte: «Was machst du hier im Busch?»

Das Krokodil erzählte seine Geschichte. Da hatte der Jäger Mitleid und sagte: «Wenn du mir versprichst, mich nicht zu fressen, bringe ich dich zurück zum Fluss.»

Das Krokodil versprach es, und der Jäger zog es mit Seilen zum Flussufer.

«Jetzt hast du mich bis hierher gebracht, also kannst du mich auch noch ins Wasser ziehen.»

Der Jäger zog das Krokodil bis ins Wasser, doch es sagte: «Du hast mich bis hierher gebracht, da kannst du mich doch noch bis ins tiefe Wasser ziehen.»

Der Jäger zog das Krokodil in den Fluss, bis er bis zum Hals im Wasser stand, und sagte: «Das ist genug, jetzt kannst du gehen.»

Aber das Krokodil sagte: «Ich bin sehr hungrig und kann nicht gehen, ohne dich zu fressen.»

«Ist das die Belohnung dafür, dass ich dir das Leben gerettet habe?», rief der Jäger wütend. Die beiden stritten miteinander, bis das Krokodil sagte: «Gut, wir suchen einen Richter. Der soll entscheiden, ob ich dich fressen darf oder nicht».

Kurz darauf kam ein Pferd zum Fluss, um zu trinken.

«Pferd!», rief das Krokodil, «du musst unser Richter sein.» Es erklärte dem Pferd alles und fragte dann: «Und, habe ich das Recht, den Jäger zu fressen?»

Das Pferd antwortete: «Nach meiner Erfahrung sind alle Menschen schlecht. Mein Herr hat mich weggejagt, weil ich alt geworden bin. Von mir aus darfst du den Jäger fressen.»

Das Krokodil sperrte schon sein grosses Maul auf, als eine Kuh vorbeikam.

«Lass uns auch die Kuh nach ihrer Meinung fragen», sagte der Jäger.

Das Krokodil erklärte der Kuh die Sache, und diese meinte: «Die Menschen sind alle undankbar, mich haben sie weggejagt, weil ich keine Milch mehr gebe. Von mir aus kannst du den Jäger fressen.»

Wieder sperrte das Krokodil sein Maul auf, als ein Hase zum Fluss hoppelte und fragte: «Was macht ihr da?»

Der Jäger erklärte dem Hasen alles, und dieser sagte zum Krokodil: «Du bist doch so gross und stark. Wie konnte dich der Jäger bis zum Fluss ziehen?»

Das Krokodil erzählte von den Seilen und der Hase sagte: «Das kann ich nicht glauben, bitte zeig es mir.»

Da band der Jäger das Krokodil mit den Seilen fest und zog es ans Ufer.»

«Hat dich der Jäger hier gefunden?», fragte der Hase.

«Es war viel weiter im Busch», sagte das Krokodil, und der Jäger zog es genau dorthin, wo er es gefunden hatte.

«Siehst du», sagte der Hase zum Jäger, «du hast gewonnen. Lass das Krokodil hier, es wird dich lange satt machen, und gib mir einen Lohn, weil ich dir geholfen habe.»

Glücklich kehrte der Jäger mit dem Hasen in sein Dorf zurück. Doch als er dort ankam, sagte man ihm: «Deine Tochter ist krank. Nur ein Hasenfell kann sie wieder gesund machen.»

Der Jäger schaute auf den Hasen und sagte: «Du kommst mir gerade recht», und wollte ihn fangen. Dieser aber sprang davon und rief: «Ist das der Dank dafür, dass ich dich vor dem Krokodil gerettet habe?».

Seit diesem Tag nehmen sich die Hasen vor den Menschen in Acht.

Fassung Djamila Jaenike, nach:  Le Chasseur, le Crocodile et le Lièvre, in: F. de Zeltner, Contes du Sénégal et du Niger, Paris 1913

 

The hunter, the crocodile and the rabbit

Once upon a time, the flood drove a crocodile so far away from the river that it could not find its way back to the water. It was hungry and thirsty and grew weaker by the hour. 

A hunter came by, saw the crocodile and asked: "What are you doing here in the bush?"

The crocodile told his story. The hunter took pity on him and said: "If you promise not to eat me, I'll take you back to the river."

The crocodile promised, and the hunter pulled it to the riverbank with ropes.

"Now you've brought me this far, you can pull me into the water too."

The hunter pulled the crocodile into the water, but it said: "You've brought me this far, so you can still pull me into the deep water."

The hunter pulled the crocodile into the river until he was up to his neck in water and said: "That's enough, now you can go."

But the crocodile said, "I'm very hungry and can't leave without eating you."

"Is this the reward for saving your life?" the hunter shouted angrily. The two argued with each other until the crocodile said: "Right, we'll find a judge. He will decide whether I can eat you or not".

Shortly afterwards, a horse came to the river to drink.

"Horse!" shouted the crocodile, "you must be our judge." He explained everything to the horse and then asked: "So, do I have the right to eat the hunter?"

The horse replied: "In my experience, all humans are bad. My master chased me away because I was getting old. You can eat the hunter for all I care."

The crocodile was already opening its big mouth when a cow came along. 

"Let's ask the cow for her opinion too," said the hunter.

The crocodile explained the matter to the cow and she said: "The humans are all ungrateful, they chased me away because I no longer give milk. You can eat the hunter for all I care."

The crocodile opened its mouth again when a rabbit hopped up to the river and asked: "What are you doing there?"

The hunter explained everything to the hare, who said to the crocodile: "You are so big and strong. How could the hunter pull you all the way to the river?"

The crocodile told him about the ropes and the hare said: "I can't believe it, please show me."

So the hunter tied the crocodile up with the ropes and pulled it to the riverbank."

"Did the hunter find you here?" asked the rabbit.

"It was much further into the bush," said the crocodile, and the hunter pulled it exactly where he had found it.

"You see," said the rabbit to the hunter, "you've won. Leave the crocodile here, it will keep you full for a long time, and give me a reward for helping you."

The hunter happily returned to his village with the rabbit. But when he got there, he was told: "Your daughter is ill. Only a rabbit’s fur can make her well again."

The hunter looked at the rabbit and said: "You're just in time for me", and wanted to catch it. But the rabbit jumped away and shouted: "Is this the thanks I get for saving you from the crocodile?".

Since that day, rabbits have been wary of humans.

© translated by L. Jaenike, version by Djamila Jaenike, based on:  Le Chasseur, le Crocodile et le Lièvre, in: F. de Zeltner, Contes du Sénégal et du Niger, Paris 1913

Senegal
Das westafrikanische Land Senegal grenzt an den Atlantik sowie an die Ausläufer der Sahara und die Sahelzone. Auch wenn das Land derzeit politisch stabil ist, sehen die jungen Menschen keine wirtschaftliche Zukunft. Die Haupteinnahmequellen der Bevölkerung, Fischfang und Ackerbau, sind unter anderem durch ausländische Öl- und Gasplattformen bedroht. Allein im Jahr 2023 sind mehr als 10'500 Menschen aus dem Senegal geflohen, Tendenz ist steigend. Um nach Europa zu gelangen, nehmen die Menschen die gefährliche und teure Überfahrt mit Schmugglerbooten über den Atlantik in Kauf, bei der jedes Jahr Hunderte von Menschen sterben.

 

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