Die Legende der Arnika

Land: Italien
Region: Trentino, Dolomiten
Kategorie: Mythe/ätiologisches Märchen

Nicht weit von Primiero lebte einmal ein junger Mann. Dem waren schon lange die schönen, jungen Guane, die Nixenmädchen, aufgefallen, die abseits in einer Hütte lebten. Eine davon war besonders hübsch und freundlich. Sie trug ihre schönen blonden Haare offen und sie leuchteten in der Sonne. Wie alle Guane, hatte auch sie die Füsse verkehrt herum. «Was stören mich ihre Füsse, wenn sie schön ist und ein gutes Herz hat», dachte er schliesslich und bat die junge Frau, ihn zu heiraten.

Die junge Guana lächelte ihn an und sprach. «Gerne will ich deine Frau werden, doch du musst mir zwei Dinge versprechen. Du musst in meiner Hütte wohnen und du darfst niemals meine Haare berühren.»

Der junge Mann versprach es gerne und so wurden die deiden Mann und Frau. Eine glückliche Zeit begann. Fünf Söhne wurden den beiden geboren und schliesslich noch eine Tochter, die genauso aussah, wie ihre Mutter. Jeden Tag arbeitete der Mann auf dem Feld und kehrte abends glücklich zu seiner Frau zurück. Einmal aber, trat er müde in das Haus und sah, wie seine Frau im Bett lag. Im Kerzenschein leuchteten ihre Haare wie Gold.  Da konnte er nicht widerstehen und strich ihr zärtlich über das Haar.

Die Guana fuhr aus dem Schlaf hoch und begann zu zittern. Sie wurde totenbleich und immer schmaler und blasser und löste sich schliesslich wie ein dünner Rauchfaden, auf und verschwand. Verzweifelt rief der junge Mann nach ihr, doch sie kehrte nicht zurück. Die ganze Nacht weinte er über seinen Fehler. Am nächsten Morgen trug er den Kindern auf, brav zu sein, bis er am Abend vom Feld zurückkehre.

Wie staunte er, als er die Kinder am Abend satt und zufrieden im Bett wiederfand. «Unsere Mutter war da!», riefen sie glücklich, «Doch sie ist wieder fortgegangen.»

So ging dies nun jeden Tag. Die Sehnsucht des Mannes nach seiner Frau wurde mit jedem Tag grösser. Eines Morgens ging er fort und kehrte bald darauf heimlich zum Haus zurück. Er versteckte sich hinter dem Backtrog und hörte die Stimme seiner Frau. Sie rief die Kinder zu sich, kämmte ihnen die Haare und kochte das Essen. Als sie in die Nähe seines Verstecks kam, hielt er es nicht länger aus. Er sprang hervor, fasste sie am Arm und sprach: «Bitte verzeih mir meinen Fehler. Bleib bei uns!»

Die Guana jedoch schluchzte: «Was hast du getan! Jetzt darf ich nie mehr wiederkommen.»

Sie riss sich los und rannte über die Wiesen davon, und in ihren Fusspuren leuchteten auf einmal gelbe Blumen auf. Die Kinder liefen ihrer Mutter nach: «Warte auf uns!», riefen sie und liefen dem Weg der Blumen nach bis zum See Welsperg, dort hörte die Spur auf. Die Kinder weinten und die Jungen kehrten bald zum Vater zurück. Nur das Mädchen blieb am Wasser und wartete. Auf einmal hörte es Schritte. Eine bucklige Alte kam langsam auf das Mädchen zu. «Warum weinst du?», fragte die Alte und das Mädchen erzählte von der Mutter. «Trockne deine Tränen», sagte die Alte, «nur die Sterne können dir helfen. Ich will dich ein Sprüchlein lehren. Wenn du zur Lorenzinacht zum See kommst und das Sprüchlein sagst, wirst du deine Mutter noch einmal wiedersehen.»

Getröstet ging das Mädchen nach Hause. Es half dem Vater bei der Arbeit, war still und fleissig und wartete auf die Lorenzinacht. Da ging es heimlich hinaus, drehte sich zum See und rief das Sprüchlein, das die Alte es gelehrt hatte:

«Sternschnuppe, kleines Himmelslicht,

bring mir meine liebe Mutter zurück.»

Da fühlte das Mädchen auf einmal zwei weiche Arme, die es umschlossen. Das Mädchen drehte sich um und sah seiner Mutter ins Gesicht. Sie lächelte, doch ihre goldenen Haare waren silbern geworden. Die Mutter lehrte das Mädchen ihr Wissen um die Heilkraft der goldgelben Blumen, dann verschwand sie wieder. So kam die Arnika in die Welt. Überall wo sie blüht, sieht man die Spuren der Haare der Guana. Bis heute hat sich das Wissen über ihre Heilkraft bewahrt.

Märchen aus Italien, Trentino

Quelle: Fassung Djamila Jaenike, aus: Pflanzenmärchen aus aller Welt, © Mutabor Verlag 2020

Diese Website nutzt Cookies und andere Technologien, um unser Angebot für Sie laufend zu verbessern und unsere Inhalte auf Ihre Bedürfnisse abzustimmen. Sie können jederzeit einstellen, welche Cookies Sie zulassen wollen. Durch das Schliessen dieser Anzeige werden Cookies aktiviert. Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Cookie Einstellungen

Diese Cookies benötigen wir zwingend, damit die Seite korrekt funktioniert.

Diese Cookies  erhöhen das Nutzererlebnis. Beispielsweise indem getätige Spracheinstellungen gespeichert werden. Wenn Sie diese Cookies nicht zulassen, funktionieren einige dieser Dienste möglicherweise nicht einwandfrei.

Diese Webseite bietet möglicherweise Inhalte oder Funktionalitäten an, die von Drittanbietern eigenverantwortlich zur Verfügung gestellt werden. Diese Drittanbieter können eigene Cookies setzen, z.B. um die Nutzeraktivität zu verfolgen oder ihre Angebote zu personalisieren und zu optimieren.
Das können unter Anderem folgende Cookies sein:
_ga (Google Analytics)
_ga_JW67SKFLRG (Google Analytics)
NID (Google Maps)