Der Brunnen von Lessoc

Land: Schweiz
Region: Greyerz
Kategorie: Sage

In Lessoc kann man einen schönen Brunnen bewundern. Er wird von einem zwiebelförmigen Dach überragt, das von Marmorsäulen getragen wird. Wie das Dorf zu diesem besonderen Brunnen kam, erzählt folgende Geschichte:
Eines Tages ritt Colin mit seinem Pferd zum Markt nach Château-d'Oex. Er kaufte dies, verkaufte jenes, und begoss seine guten Geschäfte in den Gasthäusern. Auf dem Rückweg kehrte er im Hôtel de Jaman in Montbovon bei seinen Freunden ein, die ebenfalls auf die guten Geschäfte anstiessen. Es war bereits nach Mitternacht, als Colin schwankend zurück nach Lessoc ritt. Das Pferd musste den Weg in den Stall allein finden, denn Colin musste erst die Haustür suchen. Hinter der Tür aber wartete seine Frau und jetzt ging es los: „Schämst du dich nicht? Sieh mal, wie du aussiehst, du kannst ja kaum noch stehen! Und hast du dem armen Pferd überhaupt etwas zu trinken gegeben?“
Nach diesen Worten wurde Colin schlagartig wieder nüchtern. Er ging in den Stall und führte die brave Stute zum Dorfbrunnen, damit sie ihren Durst stillen konnte. Colin stand daneben, schaute auf das Wasser im Brunnen und sah, dass es ganz hell war und Cocotte genau dort trank, wo sich der Mond im Wasser spiegelte. „Mein Pferd trinkt den Mond!“, rief er aus.
Kurz darauf zogen Wolken über den Himmel, der Mond verschwand und das Pferd hob den Kopf. Colin aber starrte auf das dunkle Wasser im Brunnen und rief: „Oh Himmel, der Mond ist weg! Mein Pferd hat den Mond verschluckt!“
Colin blieb die ganze Nacht im Stall und bewachte Cocotte. Wer weiss, vielleicht bekam sie Bauchweh wegen dem verschluckten Mond? Und was, wenn sie den Mond nicht mehr zurückgab?
Am nächsten Morgen sahen die Leute von Lessoc, wie Colin mit seinem Pferd auf der Strasse auf und ab ging. Immer wieder blickte er besorgt auf den Bauch seiner Stute und dann kopfschüttelnd zum Himmel.
Schliesslich fragte einer: „Ist dein Pferd krank?“
„Ja, leider“, antwortete Colin bedrückt, „Cocotte hat den Mond verschluckt und ihn noch nicht zurückgegeben.“
Den ganzen Tag beobachteten die Leute kopfschüttelnd dieses Schauspiel.
Am Abend blies der Wind die Wolken fort und der Mond kam wieder zum Vorschein.
 „Was für ein Glück!“, rief Colin und ging freudestrahlend mit seiner Stute nach Hause.
Auch die Bürger von Lessoc waren froh, dass nicht nur der Mond, sondern auch Colins Verstand zurückgekehrt war. Sie erkannten aber auch den Ernst der Lage und beriefen den Gemeinderat zu einer ausserordentlichen Sitzung ein. Der Gemeindevorsteher sprach: „Wir sind alle beruhigt, dass der Mond wieder zurück und unser Bürger wieder bei Verstand ist. Damit aber kein Pferd mehr den Mond verschluckt, sollten wir ein Dach über den Brunnen bauen.“
Dieser Vorschlag wurde sofort angenommen. Denn die Männer fürchteten, auch sie könnten einmal auf dem Rückweg von Château-d'Oex oder Bulle das Licht des Mondes benötigen, um den Weg nach Hause zu finden.
So kam es, dass über dem Brunnen von Lessoc ein grosses zwiebelförmiges Dach gebaut wurde, getragen von Marmorsäulen, und die Waschweiber sorgten dafür, dass man diese Geschichte noch heute kennt.

Neu erzählt von Djamila Jaenike, nach: „La Fontaine de Lessoc“ aus: J. Genoud, Légendes Fribourgeoises, Fribourg 1892. Aus dem Französischen übersetzt unter Mitwirkung von Rita Riedo © Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch

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