Es war im Spätherbst, wo die Bauern mit dem Heufüttern beginnen. Da kam an einem Nachmittag zu einem Plasselber Bäuerlein ein kleines Männchen. Es bat den Bauern, ihm eine Kuh zum Überwintern zu überlassen. Misstrauisch betrachtete der Gefragte den unscheinbaren Bittsteller. Der winzige Knirps sah nicht darnach aus, dass er eine Kuh gut verpflegen könne. Er wollte sich vom Unbekannten nicht übers Ohr hauen lassen. Die Bitte abschlagen wollte der Bauer auch nicht, wer weiss wie sich der Kleine dafür rächen würde. Nach einigem Überlegen gab er dem Zwerg die magerste von seinen drei Kühlein, denn er dachte, wenn dieses Tier verloren ginge, wäre der Schaden doch nicht so gross.
Mit herzlichem Dank und der Versicherung, dass er im Frühjahr dem Bauern das Heu bezahlen werde, zog das Männchen mit der mageren Simmentaler Kuh von dannen. Von weitem folgte der Bauer dem kleinen Sennen nach, um zu erfahren, welche Richtung jener einschlagen werde. Der Unbekannte schwenkte mit dem Tier nach dem nahen Plasselbwald ein. Plötzlich verschwanden Mensch und Tier hinter einer Felswand durch eine Steinhöhle. «Jetzt hast du deine Kuh zum letzten Mal gesehen», sagte sich bitter der Bauer. Brummig und unzufrieden wegen seiner Leichtgläubigkeit kehrte er heim und schalt sich selber einen Narren ob seiner Nachgiebigkeit.
Wochen und Monate vergingen, der Frühling zog ins Land. Fast hatte unser Bäuerlein den Verlust seiner ausgeliehenen Kuh vergessen, da erschien eines Morgens eine untersetzte Gestalt vor dem Bauernhaus: der Zwerg; aber er war nicht allein. Er führte am Seil eine dickleibige, wohlgenährte Milchkuh mit. Daneben trippelte munter ein buntscheckiges Kälblein daher. Da blieben dem guten Plasselber Mund und Augen offen vor freudigem Staunen. Wider Erwarten erhielt er sein Horntier gesund und munter, dazu noch ein willkommener Zuwachs. Noch war er nicht am Ende seines Staunens, denn der kleine Senn zog aus seiner Rocktasche eine Geldrolle hervor und gab sie dem sprachlosen Bauern als Zins und Pachtgeld für die ausgeliehene Kuh und zog schnell von dannen. Der so reich beschenkte Bauer war nun zeitlebens von aller Not befreit. Die so glücklich überwinterte Kuh erhielt im Stall den besten Platz und das schmackhafteste Futter; denn sie war für den Plasselber Bauern eine Glückskuh geworden.
Quelle: Pater Nikolaus Bongard, Sensler Sagen, Freiburg 1992.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.