Im Tuntelenloch bei Heitenried hauste vor Zeiten ein Ungeheuer. Allemal wenn das Wetter ändern wollte, wenn Regen oder Schnee im Anzug war, hörte man es die Nacht zuvor schreien. Drei- oder viermal nacheinander stiess es einen tierischen Laut aus, wie «Bög, Bög, Bög». Dann kletterte die schwarze Gestalt die steile Fluh hinauf; feurig rot blickten seine Augen wenn das Ungeheuer erzürnt wurde, und selbst sein Schwanz brannte wie Feuersglut. Wenn des Abends Trunkenbolde grölend vorbeizogen, wurden sie vom Ungeheuer angepackt und meistens in eine schmutzige Wasserpfütze hineingeworfen, worauf es schadenfroh davonsprang. Wurde der Geist tagsüber von Vorübergehenden gefoppt, übte er seine Rache erst in der Nacht aus; während der Spötter ahnungslos in seiner Wohnung weilte, schlich sich der rachsüchtige Geist ins Haus herein und zerkratzte seinen Feind so gründlich, dass ihm jede weitere Lust an solchen Foppereien verging.
Im Herbst versprengte das Gespenst die weidenden Herden.
Das Ungeheuer hatte seinen Wohnsitz in einer Tuffsteinhöhle aufgeschlagen. Dichte Efeuzweige verdeckten den Eingang zur Höhle vor den Augen der Neugierigen. Am Fels plätscherte ein Bächlein vorbei. Wenn bei starkem Regen das Wasser in die Geisterhöhle eindrang, wurde dessen Insasse zornig und warf in seiner Wut sein Mooslager in den Bach. Die Leute der Umgebung vermochten das Ungeheuer zu vertreiben. Sie stauten künstlich das Wasser des Baches, bis er einen kleinen See bildete und in die Höhle eindrang. Mit geweihten Palmzweigen jagten sie das Ungeheuer heraus und in den See hinein, worauf es für immer verschwand.
Quelle: Pater Nikolaus Bongard, Sensler Sagen, Freiburg 1992.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.