In früheren Zeiten, so wird erzählt, standen in Kalpetran, einem Weiler im Talesgrunde zwischen Stalden und St. Niklaus, wie noch jetzt, zwei Häuser in einiger Entfernung voneinander. Das eine Haus stand allein, das andere aber mit einigen Gebäulichkeiten in einem kleinen Dörfchen. Die Bewohner dieser Häuser hatten oft miteinander unerquicklichen Nachbarstreit. Eines Abends entbrannte der Zank wieder; man stritt lange heftig und machte einander die kränkendsten Vorwürfe. Die Hausbewohner im Dörflein hielten den andern mit Nachdruck vor, sie wären eben keine Bettler und hätten nicht nötig vor anderer Türen zu klopfen; — das werden sie nie tun, u.s.w.
Nachdem die Zänker ausgetobt und einander hinreichend berichtet glaubten, kehrten sie heim und suchten im Schlafe die überbleibende Glut des Grolles noch besser verdampfen zu lassen. — Und sieh! — Um die Mitternachtsstunde brach im Hause, das im Dörflein stand, Feuer aus und griff so schnell um sich, dass der Hausvater und seine Gattin in der Eile nur noch in der Nachtkleidung sich durch's Fenster retten konnten. Diese vor wenig Stunden noch so wohl geborgt sich rühmenden Leute standen nun hilflos, nur mit dem nackten Leben auf der Gasse. Sie waren gezwungen zu dem wenig entfernten Hause zu gehen, die Leute vom Schlafe aufzuwecken und um Aufnahme zu bitten. — Zwei Kinder, welche die fliehenden Eltern zu retten nicht mehr Zeit fanden, starben in den Flammen. Unter vielen Tränen und mit gebrochenem Herzen suchten die unglücklichen Eltern deren Gebeine in der Asche auf, um selbe nach Stalden auf den Gottesacker zu tragen.
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch