Hans Narr

Land: Schweiz
Kategorie: Schwank

Hans Narr war unerhört schlecht. Er stahl, wo er konnte und hatte noch andere teuflische Einfälle im Kopf. Als seine Mutter starb, nahm er sie und setzte sie mitten auf der Strasse auf einen Stuhl, stellte das Spinnrad daneben und legte ihr den Faden in die Hand, ganz so, als ob sie spinnen würde. Sie hatte sonst immer vor dem Haus auf der Strasse gesponnen, und die letzten Jahre hörte und sah sie schlecht. Er ging dann hinauf zum Fenster und schaute, ob jemand komme. Langsam fuhr einer mit einem Heuwagen daher, und als der sah, dass die Alte dort mitten auf der Strasse sass und spann, rief er, sie solle sich aus dem Weg machen. Die arme Alte aber hörte nichts und konnte nicht weg. Als er noch näher kam mit dem Heuwagen und sie nicht weggehen wollte, schlug er mit dem Stock zu, so dass sie vom Stuhl fiel. Als der Sohn das sah, rannte er lärmend vor das Haus zu jenem Mann und schrie, er habe seine Mutter getötet, und er zeigte ihn sogleich beim Gericht an. Der Bauer liess dann die Alte untersuchen, und man fand heraus, dass sie schon vorher gestorben war, und so merkten die Leute, dass Hans Narr ihnen einen Streich gespielt hatte. Jetzt hatten alle die Nase voll von Hans Narr und dachten, es sei das Beste, ihn in einen Sack zu stecken und ihn in den See vor dem Dorf zu werfen. An dem und dem Tag packten sie ihn, steckten ihn in einen Sack und legten den auf einen Wagen Alle Männer gingen mit, um den Sack mit Hans Narr in den See zu werfen. Aber unterwegs kamen sie zu einem Wirtshaus. Da wollten sie einkehren und noch ein Glas Wein trinken. Hans Narr liessen sie selbstverständlich draussen allein auf dem Wagen.

Als die andern im Wirtshaus waren, ging ein Schweinehirt mit seiner Herde am Wirtshaus vorbei. Als er neben dem Wagen war, hörte er, dass einer rief: «Und ich will nicht und mag nicht und tu’s nicht.» Als der Schweinehirt merkte, dass jene Stimme aus dem Sack dort auf dem Wagen kam, sagte er: «Nun, wenn du nicht den Gemeindevorsteher spielen willst, ich will es schon tun.» - «Dann musst du aber in diesen Sack und ich hinaus», sagte Hans Narr. «Aber ja, damit bin ich schon einverstanden», meinte der Schweinehirt, öffnete den Sack, liess Hans Narr heraus und ging selbst hinein. Hans nahm die Schweine und ging talauswärts zum See und weiter. Die andern kamen dann aus dem Wirtshaus, nahmen den Wagen bis zum See, warfen den Sack hinein und machten sich dann auf den Heimweg.

Nach ein paar Tagen kam Hans Narr mit den Schweinen taleinwärts gegen das Dorf. «Tschui» hier und «tschui» dort, so dass die Leute aus den Häusern kamen. Als sie Hans Narr mit einer schönen Schweineherde den Weg heraufkommen sahen, da waren sie ganz erstaunt und wussten nicht, was denken. Als sie ihn fragten, warum er wieder hier sei, so sagte er, er sei im See gewesen und ganz unten habe er schöne Wiesen und Äcker sowie die schönsten Herden, Kühe und Schweine, und mancherlei andere Tiere gesehen. Er habe gedacht, für’s erste eine Herde Schweine zu nehmen und dann wieder hochzukommen. Als die andern das hörten wurden sie neidisch auf Hans Narr. Alle missgönnten ihm die wunderschönen Schweine. Als Hans das merkte, sagte er, sie sollten zum See gehen und heraufholen, was sie wollten. Auf ihre Frage, wie sie es tun sollten, antwortete er: «Geht nur zum See, nehmt ein Brett, dann soll der Vorsteher als Erster darauf in den See hinausgehen und ins Wasser springen. Gleich wenn er im Wasser ist, soll er zum Zeichen, dass er etwas sieht, einen Schrei ablassen. Dann sollen ihm alle nachspringen.»  Die Männer des Dorfes taten, was Hans Narr gesagt hatte. Am See stieg zuerst der Vorsteher aufs Brett, und als er mit seinem Schmerbauch ins Wasser sprang, da gab es einen gewaltigen Klapf. Die andern dachten, das sei das Zeichen und sprangen alle hinterher. So blieb Hans Narr allein zurück mit allen Frauen des Dorfes.

(Schams)

 

Quelle: Die drei Hunde, Rätoromanische Märchen aus dem Engadin, Oberhalbstein und Schams. Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler/Kuno Widmer, Desertina Verlag, Chur 2020. © Ursula Brunold-Bigler.  

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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