Irgendwo lebte einmal ein Schmied. Er war nicht mit Gütern gesegnet. Sein einziger Reichtum bestand in einer grossen Kinderschar. Was er verdiente, reichte kaum hin für den Lebensunterhalt. In seiner Werkstatt aber fehlte es bald an diesem, bald an jenem, einmal an Eisen und Stahl, ein andermal am nötigen Werkzeug. Er konnte einfach den Rank nicht finden, um aus dieser Misere herauszukommen. Einst gingen ihm auch die Kohlen aus. Da eilte er zum Köhler, ein Fuder zu bestellen. Aber der empfing ihn sehr ungnädig und schnauzte ihn an: „Meinst du, du könnest Schuld auf Schuld häufen? Bezahle mir erst, was du noch schuldig bist, sonst gebe ich dir nichts mehr.“ Alles Bitten und Flehen und Versprechen war umsonst.
Am andern Tage sass der Schmied traurig auf dem Amboss, den Kopf in die Hände gestützt und studierte, was er jetzt beginnen solle. Aber alles Grübeln und Sinnieren nützte nichts, er fand keinen Ausweg. Da trat ein fremder Herr in die Werkstatt. Er trug einen grasgrünen Rock. Der Schmied hielt ihn zuerst für einen vornehmen Jäger. Aber bald genug merkte er, dass es der Teufel sei. „Heh, Meister, warum so traurig?“ fragte der Fremde. „Kein Feuer auf der Esse, das ist schlimm. Allweg keine Arbeit mehr.“
„Wohl, Arbeit hätte ich genug“, antwortete der Schmied, „aber mir fehlen die Kohlen.“ Dann erzählte er ihm sein Unglück. Der Grüne heuchelte tiefes Mitleid und versprach zu helfen. „Ich will dir einen Haufen Kohlen liefern, so hoch wie dein Haus“, sagte er, „und mache nur einen ganz leichten Vorbehalt. Genau in drei Jahren komme ich wieder. Wenn du mir dann sagen kannst, wie ich heisse, so ist die Schuld gestrichen und du bist frei.“
„Und wenn ich deinen Namen nicht weiss“, fragte der Schmied, „wie steht es dann?“
„Ja, dann bist du mir verfallen, und ich nehme dich mit“, war des Teufels Antwort.
Der Schmied sann nach, was er machen solle. Schliesslich dachte er: „Ich habe drei Jahre Zeit. Bis dahin wird mir wohl einmal ein rettender Einfall zu Hilfe kommen.“ Und er schlug ein. Der Grüne machte sich lachend von dannen.
Als der Schmied am andern Morgen hinausschaute, stand vor dem Hause ein ganzer Berg von Kohlen. Bald brannte das Feuer in der Esse wieder, und mit neuer Freude ging der Meister an die Arbeit. Der Erfolg blieb nicht aus. Erst bezahlte er dem Köhler die alte Schuld, dann schaffte er neue und bessere Werkzeuge an. Auch der Tisch war jetzt reicher gedeckt als früher, und es mangelte der Familie nichts mehr. Ja, sie gelangte nach und nach sogar zu Wohlstand. Das machte dem Schmied zwar Freude, aber im geheimen nagte doch ein Kummer an seinem Herzen. Schon waren zwei Jahre verstrichen, und auch das dritte ging dem Ende entgegen. Er aber kannte den Namen des Grünen immer noch nicht, wie eifrig er auch die ganze Zeit nach ihm geforscht und gefragt hatte. Der rettende Einfall wollte nicht kommen.
Die letzten Tage der Frist vergingen wie ein Traum so schnell. Sie lösten das Rätsel nicht. Verzweiflung packte den Schmied. Heute noch muss er den Namen finden. Morgen wird der Grüne kommen und ihn lebendig in die Hölle befördern. Er rannte wie ein Irrsinniger in der Werkstatt herum, raufte sich die Haare und stellte sich wohl zum tausendsten Male die Frage: „Wie heisst er wohl, - wie heisst er wohl?“ Dann betete er wieder zu allen Heiligen und rief ihre Hilfe an. Das beruhigte ihn eine Weile. Aber plötzlich überfielen ihn wieder Hilflosigkeit und Verzweiflung. Er riss den Schurz vom Leibe, warf ihn auf den Amboss und eilte wie ein gehetztes Wild in den Wald hinaus. „Wie heisst er wohl - wie heisst er wohl“, stöhnte er in einem fort. Er suchte nochmals alle die Namen zusammen, die das Volk dem Teufel anhängt. Er hatte das schon hundertmal getan und kannte die ganze Reihe auswendig. „Heisst er etwa Hörnlimann, - oder Chräbli, - oder Stollfüessler, - oder Fitzibutzi, - Grüentschööpler, - Chrabutzi, - Höllerli, - Buechechasperli, - oder gar Grumpirenazi? Vielleicht ist einer dieser Namen der richtige. Aber welcher? Vielleicht heisst er ganz anders. Was soll ich machen? Was soll ich ---?“
Immer tiefer irrte der Arme in den Wald hinein. Keuchend arbeitete er sich einen Hang empor. Der Schweiss perlte ihm von der Stirne, er merkte es nicht. Ohne Unterlass jammerte er: „Wie heisst er wohl -- wie heisst er wohl? - Ach wäre ich doch im Elend gestorben, statt die Hilfe des Bösen anzunehmen. Gütiger Gott, habe Erbarmen mit mir.“
Immer weiter jagte es ihn, immer höher stieg er empor. Der Wald lichtete sich und artete in verworrenes Gebüsch aus. Ein schmales Felsental öffnete sich. Rauchwolken stiegen darin auf. Ohne zu wissen, was er tat, ging er in dieser Richtung weiter. Auf einmal drangen sonderbare Töne an sein Ohr. Er hielt an und lauschte. Jetzt hörte er es deutlich. Da drüben sang jemand. - Nein, es war eigentlich nicht ein Singen, es war mehr ein Brüllen oder Gröhlen, wie von einem Betrunkenen. Zwischenhinein aber schallte immer wieder ein ausgelassenes Lachen. Der Schmied vergass plötzlich seinen Kummer und schlich vorsichtig durch das Buschwerk immer näher an den Schreier heran. Jetzt kam er an eine Lichtung und was er nun sah und hörte, hätte ihm vor Freude bald das Herz gelähmt.
Mitten auf dem Platze erhob sich ein ganzer Berg von Kohlen und rings um diesen rauchten wohl ein Dutzend Meiler. Um den Kohlenhaufen herum aber tanzte jener Teufel, dessen Namen er seit drei Jahren suchte. Er hatte eine Schaufel in der Hand und warf damit verstreut herumliegende Kohlen auf den Haufen, drehte sich wieder im wirbelnden Tanze und johlte dazu:
„Hans Winkelhom heisse ich.
Ha - ha - ha - haa!
Doch der Schmied weiss es nicht.
Ha - ha - ha - haa!
Morgen früh hol ich ihn.
Ha - ha - ha - haa!“
Dem Schmied war, als fiele eine Zentnerlast von seinem Herzen. Bald hätte er einen Freudenschrei ausgestossen. Nun war das schwere Rätsel gelöst. Dem Vater im Himmel und allen Heiligen sei’s gedankt. Vorsichtig kroch er durch die Gebüsche zurück, stürmte in seliger Freude den Wald hinunter und kam spät in der Nacht glücklich zu Hause an.
Am andern Morgen stand der Schmied in aller Frühe schon am Amboss und hämmerte, dass die Funken sprühten. Doch plötzlich, wie aus dem Boden gewachsen, stand der Teufel vor ihm. Diesmal trug er nicht den grünen Rock und sah nicht aus wie ein feiner Herr, sondern wie ein richtiger Gottseibeiuns, mit Bockfuss und Schwanz und Hörnern.
„So, Freund, die drei Jahre sind um“, sagte er grinsend und zeigte dabei die Raubtierzähne. „Entweder sagst du mir jetzt, wie ich heisse, oder du kommst mit.“
Der Schmied antwortete spöttisch: „Du musst doch ein stockdummer Löhli sein, dass du nicht einmal deinen Namen weisst.“
„Oho! - ich weiss ihn schon“, sagte der Gehörnte, „aber du, - du weisst ihn nicht, gelt - heeh! Also bist du mir verfallen. Komm mit!“ Er zog eiligst eine Kette hervor, damit den Schmied zu fesseln.
Der aber hob drohend den schweren Vorschlaghammer und rief: „Hans Winkelhorn, verschwinde in die unterste Hölle!“
Als der Teufel seinen Namen hörte, da knirschte er vor Wut mit den Zähnen, stampfte mit dem Bockfuss und hieb mit dem Schwanz in die Luft. „Wer hat dir das gesagt?“ brüllte er.
„Der Hans Winkelhorn selber, als er gestern Abend um den Kohlenhaufen tanzte“, antwortete lachend der Schmied.
Da gab der Teufel einen abscheulichen Gestank von sich und fuhr mit Donnerrollen in die Hölle hinunter.
Quelle: German Kolly, Sagen aus dem Senseland, Freiburg 1965. Mit freundlicher Genehmigung der Verlag Herder GmbH. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.Maerchen.ch