Ein piemontesischer Säumer brachte einen Zug Saumpferde über die Grimsel (Bern. Oberl.) durchs Haslithal herab und jedes war mit zwei Lägeln guten wälschen Rothweins beladen. Er hatte sich auf seinem beschwerlichen Tagmarsch schon tüchtig bezecht, als ihm auf dem engen Felsensteig bei Guttannen, an jenem steilen Felsen des Zuben, wo das Ausweichen gefährlich wird, das Zwergmännlein Selbthan begegnete. In seiner wilden Trunkenheit war es dem groben Gesellen zu viel, zum Leitross vorzugehen und es hübschlich auf die Seite zu treiben; von hinten her schwang er sogleich die langgedrehte Riemenpeitsche und hieb dem armen Zwerg die allerdicksten Schwielen. Der Kleine drückte sich in die Bergwand und schrie so jämmerlich, dass alle Zwerge aus dem ganzen Thale zusammenliefen. Dann riefen sie seiner Schwester in die Rothenfluh hinauf:
Lauf, lauf, Rebärben,
Der Vater will sterben!
und zogen von Stund an mit einander aus dem Haslithale fort. Drei Tage und drei Nächte dauerte ihr Zug über den Grimselpass. Man hörte sie dabei laut schluchzen.
Den Säumer erreichte schnell sein Verderben. Bevor er noch den Brienzer-See erreichte, stürzte sein Leitpferd den schlüpfrigen Pfad an der Hellen Platte hinunter und riss die übrigen Saumthiere, mit denen es der faule Kerl zusammengekoppelt hatte, gleichfalls mit in den Abgrund. Als er seine ganze Habe verloren sah, stürzte er sich selbst verzweifelt nach. Aber sein grausamer Geist muss von nun an „säumen“ bis an den jüngsten Tag. Die Aelpler, die am Rizlihorn und bei der Handeck wohnen, kennen alle die unsichtbare Säumerei: ein Geschelle von Rossen und Maulthieren, ein Pfeifen, Rufen und Peitschenknallen des Treibers, das oft Nächte lang in einer Strecke von sieben Wegstunden das Thal erfüllt. Oben am Grimselhospiz hat man den Wälschen gut gekannt; man nennt daher dies Gelärm dorten den Sattlerfranz und den Grimselfuchs.
Band 1, Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856, Seite 317
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Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch