Vor alten Zeiten floss der Lauibach von der Bahlisalp im Haslital unterhalb des Alpwaldes durch den sogenannten Bärengraben nach Unterfluh in seinen jetzigen Lauf. Droben am Stollen sass im kleinen Häuschen der Stollenhans, bescheiden und bei wenigem vergnügt. Da kamen einmal zwei Bauern herauf und überredeten ihn, der Gynlauine einen andern Lauf zu geben. Weil sie ihm aber grossen Lohn versprachen, macht er sich des Nachts an die Arbeit und hackte das ganze Port durch, welcher das Dorf vor den Wassern des Lauibach schützte. Ehe es Morgen war, stürzten die schwarzen Fluten nach dem Hoh- fluhdorf hinunter, manches Häuslein fortreissend und manches Äckerlein begrabend.
Da eilte, was Beine hatte, hinauf, dem Bache wieder seinen alten Lauf zu geben. Allein der Schaden war zu gross, keine menschliche Arbeit war imstande, einen solchen Damm herzustellen. Eine arme Witwe aber, welcher alles genommen worden war, verfluchte das wilde Wasser. Da wurde es Stollen-Hans schwer ums Herz. Seine Freude war dahin, er hatte weder Ruhe noch Rast mehr daheim und verschwand eines Tages, ohne dass jemand anzugeben vermochte, wohin er gekommen sei. Seither aber, wenn der Hochstollen eine Haube anzieht und böse Wetter dräuen, tönt’s vom Lauigraben und am Stollen
"Hojo, hoho, hojo!" Dann ruft jede Mutter die Buben herein, weil das Stollen-Hauri vor dem schwarzen Wasser warnt. Und wenn die Gefahr am grössten ist, ruft’s aus der Nähe:
"Der Bach chunt, der Bach chunt.
Ja - ja - ja!
Der Bach ist nah, der Bach ist da nah!
Sind mini Bueben alli da?
Ja, ja, ja!"
Quelle: Hermann Hartmann, Sagen aus dem Berner Oberland. Nach schriftlichen und mündlichen Quellen, Interlaken 1910.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.