Das Äckelmümmelisbrünneli

Land: Schweiz
Region: Pfungen
Kategorie: Sage

Gleich vor der herrlich an der Töss gelegenen Wartburg, die durch der Ungarnkönigin Agnes Rachsucht in eine Ruine verwandelt wurde, erhebt sich das nicht mehr im Wesen stehende Schloss Pfungen, ein uralter Bau, der, wenn man der Chronik trauen darf, die Hof- und Lieblingsburg des Herzogs Gottfried von Pfungen, Caroli Magni Großvater, gewesen ist. Um das Schloss herum liegt, gar lieblich, am Fuße des Eigelharten, auf einer unbeträchtlichen Anhöhe, das Dorf gleichen Namens, und in demselben befindet sich ein Brunnen, der unter dem Namen „Äckelmümmelisbrunnen" ringsherum bekannt ist. Von dem Brunnen erzählt die Volkssage, dass in uralter Zeit an dessen Quelle der liebste Aufenthalt eines wundertätigen Mannes, Namens Neckelmümmeli, gewesen sei. Unterrichtete Leute wissen aber wohl, dass unter diesem „Neckelmümmeli" niemand anders zu verstehen sei, als der heilige Priminius, der, von der Insel Reichenau, auf der er geboren ward, herüberkommend, an dem klaren Schattenquell ruhte und sich gottseligen Betrachtungen hingab. So wie jene Insel vor Priminii Zeiten mit allerhand giftigem Gewürm, so war die Gegend um Pfungen mit einer ungeheuren Menge giftiger Schwämme geplagt, welche die Viehzucht erschwerten; und so wie Priminius das Eiland Reichenau vom giftigen Gewürm, so reinigte er auch die Gegend um Pfungen von den lästigen und schädlichen Schwämmen. Wie in Reichenau, richtete er zuerst mitten in der Gegend ein geweihtes Kreuz auf und verrichtete sodann kniend sein wunderkräftiges Gebet – und wie all' das giftige Gewürm unverweilt sich aufmachte und die Flucht nahm, also, dass der Bodensee drei Tage und drei Nächte lang davon bedeckt war – so auch verloren die Schwämme, welche die Wiesen von Pfungen verderbten, vollständig ihre giftige Eigenschaft, und die Bauern durften nun ohne Gefahr ihr Vieh auf die Weide treiben. Seit der Zeit ist der Brunnen, bei welchem Priminius sich so gerne aufhielt, ein Gegenstand der Verehrung des Landvolks, einer Verehrung, die sich selbst auf unsere Zeiten übertragen hat.

C. Kohlrusch, Schweizerisches Sagenbuch. Nach mündlichen Überlieferungen, Chroniken und anderen gedruckten und handschriftlichen Quellen., Leipzig 1854.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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