Als vor einigen Jahren eine Lawine das Grimselspital verschüttete, da hörte der Knecht, der einsam den Winter über das Haus hütet, das Hauri. Klagend rief es vom Juchliberge her; die Hunde sprangen unruhig auf, öffneten sich selbst die Türen und flüchteten hinaus in das Freie. Der Knecht, im Glauben, ein Wanderer rufe um Hülfe, eilte ebenfalls vor die Türe. Draussen schien hell und freundlich die Sonne, um den Juchliberg aber schwebte es in der Luft, er konnte nicht recht deutlich sehen, was. Kein Wanderer zeigte sich in der Nähe noch Ferne. Er rief die Hunde, die ziellos umherschweiften und kehrte mit ihnen in die Stube zu seiner Arbeit. Da erschallte der Ton zum zweiten Male. Abermals suchte er den vermeintlichen Wanderer, der seine Hülfe angerufen, abermals vergebens; am Juchliberge aber flimmerte ein rötlicher Schein. Er kehrte wieder in das Haus. Erst als der Himmel über ihm mit schrecklichem Getöse zusammenzubrechen schien, erst dann erkannte er, aber zu spät, wer ihm gerufen. Wie Strohhalmen waren die Sparren des Daches geknickt und unermessliche Erdlasten vor die Türe gewälzt, so dass jeder Ausgang gesperrt schien. Nur die Festigkeit der Mauern hatte das Haus vor gänzlicher Zerstörung, ihn vor augenblicklichem Tode gewahrt. Allein im Fliehen hatte das Hauri den Deckel des Kamins aufgeklappt und ihm so einen Rettungsweg eröffnet. Er kletterte durch den Schornstein an das Tageslicht, als die Kobolde ihn begraben glaubend, ihren Triumph auf dem Aaregletscher feierten, zog die Hunde nach und brachte die Mähr in das Tal. Er kennt jetzt die Stimme des Hauri, aber er erzählt die Geschichte nicht gern, denn er möchte seine Gunst, die sich so offenbar gezeigt, nicht verscherzen.
C. Kohlrusch, Schweizerisches Sagenbuch. Nach mündlichen Überlieferungen, Chroniken und anderen gedruckten und handschriftlichen Quellen, Leipzig 1854.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch