Singend und johlend schwankte er durch das Ried. Auf dem Markte hatte er zwei Rinder verkauft und sich einen Bombenrausch angesoffen. Überhaupt war er eine liederliche Haut, ein Wirtshaushöck und Kartenspieler und mit dem Pfarrer und seiner Frau ewig im Streit. Da er herumlungerte und das bare Geld am Schenktisch verklopfte, war sein Weib um so reger auf Sparsamkeit und Zusammenhalten bedacht. Sie ackerte im Frühjahr den Weinberg, trug im Juli die Heuballen zur Scheune und hirtete im Winter das Vieh.
Kasperli knallte mit den Fingern, taumelte rechts und links ans Strassenbord und wandte sich gegen einen Weidenstrunk. «Wie ein Teufel siehst du aus und bist es doch nicht. Schade, du müsstest mir Geld schaffen, Geld. Lustig ist es auf der Welt mit dem grossen Sack voll Geld.» Er torkelte weiter und putschte bei der nächsten scharfen Biegung mit einem Mann zusammen, der ein pralles Drillichbündel auf der Achsel trug, in dem es klirrte und klimperte wie von edlem Metall. «Hier ist das Geld, Kasperli», sagte der Unbekannte, und seine Augen glinserten wie Schwefel.
«Ja zum Teufel, bist du etwa der Teufel selbst?» Betroffen wich er zurück.
«Du sagst es. Nimm mir die Bürde ab, es ist lauteres, klares Gold. Ich verlange dafür - hm - eigentlich nichts von Belang, eine Kleinigkeit - was vor deiner Haustür ist, wenn du heimkommst.»
Was wird vor der Haustür sein, wenn ich heimkomme! Ist's nicht die Katze, so ist es ein Stoss Brennholz. «Lauteres Gold, sagst du? Gut, Tatze her, ich schlage ein!» Blitzschnell zog er die Hand wieder zurück. Ihm war, als ob er ein glühendes Eisen ergriffen hätte.
Er schulterte die Bürde, die ihn beinahe überzog und wankte gröhlend den Berg hinauf. Ist das ein spassiger Kerl, dieser Teufel - tauscht ein Vermögen um ein paar windige Bengel Pappelholz! Die soll er sich holen und der Grossmutter einheizen.
Spät wie gewöhnlich bog er ins Dorf, wechselte den Sack auf die andere Schulter, gixte und gaxte und krakeelte ein Lumpenliedchen. Verstummte erst, als seine Frau über die Schwelle trat und ihn am Arm in die Stube führte. Schon lange hatte sie ihn erwartet und aus Furcht, er könnte ins Wirtshaus abschwenken, ihm aufgepasst.
«O du Suppenhuhn», rief er noch halb im Dusel, «das hat grad noch gefehlt, dass du auf mich lauerst!» Weiter sagte er kein Wort und ging zu Bette. Der Frau fiel die Rede nicht auf. Betrunkene und Blödsinnige, die schwatzen beide Unsinn.
Als Kasperli des Morgens in die Kleider schlüpfte, erinnerte er sich des gestrigen Vorfalls wie eines wüsten Traumes. Zum Kuckuck, auf dem Tisch glitzerte es von eitel Goldvögelchen, die Frau stand daneben, bohrte ihm die Blicke ins Gewissen und fragte, was das zu bedeuten habe.
«Ich habe doch die beiden Rinder verkauft und einen guten Handel gemacht.» Vor ihren strengen Blicken senkte er den Scheitel.
«Ist das Vieh im Preis so gestiegenr»
«Gute Ware wie die meine macht sich immer bezahlt, und überhaupt, das verstehst du nicht. Geh in die Küche und richte mir das Frühstück! »
Bald darauf schritt Kasperli mit der Breitaxt in den Wald um Holz zu fällen. Grübeln war nie seine Sache; er verliess sich auf seine Pfiffigkeit und dachte, es werde ihm schon etwas Gescheites einfallen, er werde den bösen Feind schon übertölpeln. Als er den ersten Axthieb ausführen wollte, klatschte ihm jemand auf die Achsel. Er knickte zusammen, das Beil splitterte und entglitt seiner Hand. «Kasperli, heut nachmittag bringst du mir deine Frau, just an diese Stelle, und dann wollen wir abrechnen!»
Ihm erstarrte das Mark in den Knochen. In die teuflische Fratze glotzend, fuchtelte er mit den Armen und lehnte sich geschlagen an den Baumstamm. Als er sich aufrappelte, war der Menschenfeind weg. Mit zerwühlten Sinnen wanderte Kasperli ins Dorf zurück.
Nach dem Mittagessen sattelte er den Maulesel und hiess seine Frau aufsitzen. Er möchte ihr das Waldstück zeigen, fabelte er, das er schlagen wolle und fragen, ob sie einverstanden sei.
Der Frau erschien es sonderbar, dass ihr Mann auf einmal von solchen Dingen redete, das Tier ans Mäuerchen stellte und ihr in den Sattel half. Eine heisse Welle stieg in ihrem Busen auf, und Ungutes witternd, sprang sie bei der Waldkapelle vom Sattel und sagte, sie sei der Mutter Gottes noch drei Vaterunser schuldig, er solle draussen warten.
«Schaden kann es nicht», brummte er und erwog jetzt allen Ernstes, wie er dem Satan die Beute ablisten könnte. Die Stirne faltend, würgte er seine Gedanken, knetete darin herum und brachte nichts Rechtes zustande, das Hand und Fuss gehabt hätte. Mit dem Teufel ist halt nicht zu spassen, er tut nichts umsonst, er will seinen Lohn.
Gemartert und gepeinigt schritt er hin und her und getraute sich nicht ins Heiligtum.
Nach einer Weile kam die Frau wieder heraus, bestieg das Tier, und stumm wie zuvor ging es weiter in den Wald. Nichts war vernehmbar als der Hufschlag, das trockene Hüsteln Kasperlis, der ängstlich herumspähte und ein Wunder erhoffte.
Als der Forst sich lichtete, sah er einen Mann, der mit vorgezogenen Beinen auf einem Stumpfe kauerte und mit einem Rütlein im dürren Laube stocherte. Kasperli fasste den Zügel und hielt. Ringen will er wie ein Held um sein Weib, und koste es das Leben. Allein wie Gewichte zogen die Arme und Beine ihn nieder, der Atem stockte, die Schläfen hämmerten. Ächzend und hustend blickte er auf zu seiner Frau, die in göttlicher Ruhe und Gelassenheit die Hände faltete. Ein heiliges Lächeln spielte um ihren Mund.
Der Teufel hob das Kinn, und alles Blut und Feuer wich aus seiner Fratze. Er sprang in den Weg hinaus, rannte kopfvoran gegen das Maultier und, wie von einer Mauer prallend, wieder zurück, krächzte und zeterte: «Dich will ich nicht, dich will ich nicht, geh nur wieder heim!» sauste wie der Sturmwind in die Schlucht hinab, in der es donnerte und blitzte und ein schwefliges Räuchlein dampfte.
Bei dieser unverhofften Wendung schöpfte Kasperli wieder Mut und Kraft. Er besänftigte das Maultier, das immer noch bockte und ausschlug und führte es denselben Weg zurück. Immer wieder sah er hinter sich, er konnte nicht anders und vermeinte, der Teufel sei reuig geworden und stelle ihm nach. Wie sollte er sich das Entsetzen des Bockfüssigen erklären, dem vor niemand grauste als vor Gott und dem Allerheiligsten!
Bei der Waldkapelle stieg die Frau ab und huschte hinein, indessen er das Maultier hätschelte und gelobte, dem Spiel und Suff für alle Ewigkeit zu entsagen und ein arbeitsamer Mensch zu werden. Des Wartens überdrüssig, ging er auch in die Kapelle und sah die Frau schlafend auf der Bank. Sachte wie nie legte er ihr die Hand auf die Schulter und rief ihren Namen. Sie rieb die Augen und sah ihn verwundert an.
« Was ist dir? » fragte Kasperli. «Wie hast du jetzt einnicken können?»
«Habe ich geschlafen? Dann war es ein Traum, ein schöner Traum.
Die Mutter Gottes ist vom Altar niedergeschwebt und hat gesagt: «Bleib hier, ich reite für dich in den Wald, weil du ein braves Weib bist und dein Mann ein Lump. Und dann ist sie auf das Maultier gestiegen und mit dir fortgeritten.»
«Also ist die Himmelskönigin mit mir gegangen und hat den Teufel in die Flucht geschlagen. Ein Wunder, ein grosses Wunder!»
Er half ihr in den Bügel, und im Dorf angekommen, läutete die Aveglocke. Den Mammon übergab er dem Pfarrer zur freien Verfügung, und jedesmal, wenn ein heimlicher Drang nach Wein und Spiel ihn kitzelte, wandte er in scharfem Rank sich heimwärts, und so ist er doch noch ein hablicher, und was die Hauptsache ist, ein nüchterner, anständiger Mensch geworden und ein Gatte, für den sich seine Frau nicht mehr zu grämen und zu schämen brauchte.
Quelle: Johannes Jegerlehner: Walliser Sagen, Hans Feuz Verlag Bern, 1959
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.