Das Ungeheuer in der Burg Tannegg
Wenn die Oberländer nach Wil auf den Viehmarkt fuhren, kamen sie zwischen Schmidrüti und Dussnang *) an der Burg Tannegg vorbei. Man erzählte davon, dass der Turm noch tiefer in die Erde hinabgehe, als er hoch sei. Vor Jahren sei im untersten Kerker einer gefangen gewesen, den man eines Abends gar jämmerlich schreien gehört habe. Man habe nicht viel daraus gemacht, weil man glaubte, er tue nur aus Verstellung so arg. Aber am anderen Morgen, als der Kerkermeister ihm habe zu essen bringen wollen, sei kein Stäubchen von dem Menschen vorhanden gewesen und doch nicht eine Spur, dass er hätte flüchten können. Man habe hin und her geraten, was diesem Unglücklichen wohl begegnet sein möchte. Von den Mönchen im Kloster Fischingen sagten einige, der Teufel habe ihn geholt, und die andern, er sei gefressen worden.
Man habe allerlei probiert, dass ihn der Teufel wieder hätte bringen sollen, aber umsonst. Endlich versuchte man zu erfahren, ob er etwa von einem bösen Tier zerrissen worden wäre, und zu diesem Zweck habe der Abt einen toten, vergifteten Hund in den Kerker hinabwerfen lassen. Da, am folgenden Morgen, sei eine furchtbare Schlange tot dagelegen, und in deren Bauch habe man den Gefangenen samt Schuhen und Strümpfen gefunden.
Quelle: K. W. Glaettli, Zürcher Sagen 1970, Tössthal
Wörtlich aus Stutz, S. 186
*) Thurgau Tannzapfenland
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.