Rings von saftigen Kräutern umschlossen, befindet sich Hieroben ein ebenes Plätzchen, auf dem nie etwas grünt und blüht, weil da vorzeiten Hexen und böse Geister ihre nächtlichen Versammlungen hielten.
Der in einem Alter von 86 Jahren gestorbene Ant. Grünenfelder von "Catuzi" (St. Luzius) war in seinen jüngern Jahren Schafhirt auf den Wangser Alpen und zugleich ein eifriger Wildschütze. Als solcher kam er einst früh morgens vor Betläuten auf den Gafarrabühl und erblickte in der Nähe des Abhanges ein feines Füchslein, das er sofort schiessen wollte. Kaum hatte er zum Schusse angelegt, war dasselbe schon seitwärtsgesprungen und hatte damit einen kleinen Strauch umgebogen, an dem es angebunden zu sein schien. Erstaunt setzte er ab und eilte nach einigem Bedenken hinzu, um es lebendig zu fangen. Unterdessen hatte sich jedoch das Füchslein vom Strauche losgerissen und Rettung in der Flucht gefunden.
Am erwähnten Strauche hing noch ein Stück von einer seidenen Schnur. Grünenfelder schritt nachher lange in Gedanken versunken auf dem Platze hin und her und zwar bis die ersten Strahlen der Morgensonne ihn zum Weiterziehen mahnten.
Jetzt sah er etwas funkeln im Grase; er hob es auf, einen köstlichen, goldenen Fingerring. Es war damals Sitte, dass Männer grosse Halstücher schleifenartig über die Brust herabhängend und durch einen Ring gezogen trugen. Auf diese Weise benutzte Grünenfelder nun auch seinen Findling.
Später trat er in französischen Militärdienst und kam als Tambour nach Paris. Den auf Gafarra gefundenen Ring trug er nun am Finger. In seinen Freistunden besuchte er öfters eine Bierschenke. Die schöne Wirtstochter erwies sich gar bald ausserordentlich freundlich gegen ihn und bat ihn endlich, ihr gegen gute Bezahlung seinen Fingerring abzutreten, an dem sie ein ganz besonderes Wohlgefallen habe. Der Tambour erklärte aber, dass er den Ring um keinen Preis hergebe. "Erfüllst du meinen Wunsch auch dann nicht, wenn ich dir sage, wo du den Ring gefunden hast, und wenn ich denselben besser kenne als du selbst?" fragte hierauf die Tochter.
Auf dies machte der Tambour grosse Augen und erwiderte, wenn sie dies könne, soll sie unentgeltlich in den Besitz des Ringes gelangen.
Sie erbat sich hierauf den Ring zur Besichtigung, wusste ihn dann mittelst eines Druckes zu öffnen, zeigte dem erstaunten Soldaten ihren auf einer verborgen gewesenen Stelle eingravierten Namen und sprach: "Meine Mutter begab sich öfters zunacht fort und kam erst gegen morgen wieder heim. Sie sagte nie, wo sie gewesen sei. AIs ich sie endlich einmal darüber befragte, lud sie mich ein, mit ihr zu gehen; dann werde ich diesfalls die beste Auskunft erhalten und nur Angenehmes erleben.
Ich erklärte mich dazu bereit, und schon in der nächsten Nachl flogen wir auf Besenstielen in die ferne Schweizeralp Gafarra, wo auf dem Bühl eine Gesellschaft von Manns- und Frauenspersonen aus aller Herren Länder an einem hochauflodernden Feuer mit Tanzen, Schmausen, mit Kunststücken und dergleichen sich lustig machte.
Mir ekelte vor dem tollen Treiben dieser Sippschaft, und als endlich der Meister mit einem grossen Buche zu mir kam und mich ersuchte, mich mit meinem eigenen Blute als Mitglied der Gesellschaft einzutragen, weigerte ich mich dessen standhaft, obwohl sich meine Mutter deswegen wie unsinnig gebürdete. Zur Strafe wurde ich in einen Fuchs verwandelt und an einen Strauch gebunden, wo ich meinen Fingerring verlor."
So erhielt sie den Ring zurück.
Die schöne Tochter war aber doch eine Hexe geworden und konnte sich darum dem Tambour auch nützlich machen. Er sehnte sich nach seiner Heimat. Sie belehrte ihn, er soll nur in einer ihm beliebigen Nacht seine sämtlichen Effekten an einen wenig beachteten Ort im Freien bringen, sich darauf zum Schlafen niederlegen, und es werde sich hernach das Übrige schon von selbst machen. Tambour Grünenfelder dankte, nahm Abschied von der Wirtstochter und tat in der kommenden Nacht, wie sie ihn gelehrt hatte. Am nächsten Morgen erwachte er frühzeitig, konnte sich nicht sogleich an die gestrige Verabredung erinnern und glaubte, geträumt zu haben.
Er nahm die Trommel zur Hand und schlug die "Tagwacht". Sogleich rannten Leute auf ihn zu und fragten ihn in dem ihm wohlbekannten Sarganserdeutsch: "Brinnts nämwo, oder git's Chrieg?" Jetzt erst erkannte Grünenfelder, dass er nicht mehr in Paris, sondern auf dem Marktplatze zu Mels sich befand. Seine Effekten lagen unter dem grossen Lindenbaum, welcher an der Stelle stand, wo im Jahre 1818 der Platzerbrunnen errichtet wurde.
I. Natsch
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 278, S. 149ff
(Siehe auch Gafarä von Jakob Kuoni)
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.