Palfries war einst von den freien Walsern bewohnt. Am Eingang der Alp hatte der "Kammjos" sein Heimwesen. Eines Morgens kam dessen Tochter aus der Küche in die Stube hereingesprungen und rief mit dem Ausdruck grosser Verwunderung: "Du, Vater, d's Wasser hat gnidlet!" Es hatte nämlich eine Eiskruste bekommen. Der Vater wurde darob recht ernsthaft und erwiderte: "Soa, soa, jetz chunn die böasa Joahr; jetz müessen mer wicha!" Und so verliessen sie ihre Berge und zogen ins Tal herunter.
Länger hielten sich ihre Verwandten am Walserberg. Noch in den dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde im "Wieslihaus" Schule gehalten. Heute aber wohnt auch dort für das ganze Jahr keine Seele mehr.
U. Adank
*
Hier wohnten auch die Schuhmacher, die sich später in Sargans niedergelassen haben.
Eine Frau aus diesem Geschlechte habe einst einen Lägel Wein von Sargans durch die Spina nach Palfries hinaufgetragen, ohne unterwegs auszuruhen.
J. Ch. Berger.
*
Ein alter Palfrieser war so stark, daß er alles Holz zu seinem Hausbau allein auf den Schultern aus dem Wald herbeitrug. Bei der nächsten Hütte hatte sich ein fremder Hirt niedergelassen, dessen Stier oft in den Hof des Palfriesers einbrach. Der Palfrieser sagte dem Hirten, er solle seinen Stier besser hüten. Der andere aber höhnte ihn nur und erfrechte sich sogar, ihm den Hut vom Kopf zu schlagen. Da nahm ihn der Palfrieser unter den Arm, trug ihn zum Hute hin und befahl ihm, diesen aufzulesen. Der Hirt aber tat keinen Schnauf mehr; der Starke hatte ihn erdrückt.
J. B. Stoop
*
Der Stärkste dieser Starken war der Benedikt. Einst trug er ein gewöhnliches Fass Salz vom Tale aus, ohne auszuruhen, auf dem Rücken nach Palfries (3 Stunden). Noch grösser war aber seine Leistung beim Bau des grossen Hauses. Da trug er das dicke, 50 Fuss lange "Hauptträml" der Stuben- und Küchendiele allein auf dem Rücken aus dem Walde zur Baustelle - eine Last, an der jetzt vier baumstarke Männer verzweifeln würden.
Alpenpost, 1871.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 154, S. 73
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.