Vor hoher Feste Lichtenstein
Tönt wilder Lärm in's Land hinein
Und Hurraruf und Kampfsgewirr,
Und stürzende Mauern und Schwertergeklirr,
Dann laut, gleich Donnerdräuen,
Der Bauern Siegesschreien.
Ein Ritter hat sich gut gewehrt,
Schwingt in der Hand sein blutig Schwert,
Und um ihn drängen in stürmendem Schwall'
Die siegestrunkenen Bauern all'
Und endlich ist's gelungen:
Der Ritter ist bezwungen.
»Nimm, weil du dich so gut gewehrt,
Nimm hin dein blutig scharfes Schwert:
D\'rauf sollst du uns zeigen den besten Ritt,
Sollst über die Felsenwand reiten damit;
Sonst stirb von unsern Händen!
Nun wähl\', wie willst du enden?«
Er schaut hinab von schroffen Höh'n,
Das Leben scheint ihm gar zu schön;
Es ward ihm so bange, es riss ihn fort,
Da sprach er im Herzen ein grässlich Wort:
Gab seine Seele dem Bösen,
Wenn er ihn wollt' erlösen.
Frisch nahm er dann das Schwert zur Hand,
Sprang vor zum hohen Abgrundsrand
Und setzte sich d\'rauf und fuhr zu Tal –
Aus donnernder Wolke ein Wetterstrahl –
Kam an ganz wohlbehalten;
Wort hat der Teufel gehalten.
Dann wandt' er sich und schaut hinauf:
Hell ging die Burg in Flammen auf;
Es tönte der Bauern Gejauchze so gell,
Es trieb ihn durch Wiesen und Äcker so schnell,
Er ist in' s Dorf geirret,
Der Böse hat ihn verwirret. -
Wer kommt so schnell gesprungen dort?
O eile, Ritter, O eile fort!
Die Weiber, die brachten ihm grosse Not;
Sie schlugen mit Flegeln Den zu tod',
Den Schwert und Felsen sparten -
So mischt der Teufel die Karten.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.