Vor alten Zeiten floss der Lauibach von der Bahlisalp im Haslital unterhalb des Alpwaldes durch den sogenannten Bärengraben nach Unterfluh in seinen jetzigen Lauf. Droben am Stollen sass im kleinen Häuschen der Stollenhans. Da kamen einmal zwei Bauern herauf und überredeten ihn, der Gynlauine einen andern Lauf zu geben. Weil sie ihm grossen Lohn versprachen, machte er sich des Nachts an die Arbeit und hackte den ganzen Damm durch, welcher das Dorf vor den Wassern des Lauibachs schützt. Ehe es Morgen war, stürzten die schwarzen Fluten nach dem Hohfluhdorf hinunter, manches Haus fortreissend und manche Äcker begrabend.
Da eilete, was Beine hatte, hinauf, dem Bach wieder seinen alten Lauf zu geben. Allein der Schaden war zu gross, keine menschliche Arbeit war imstande einen solchen Damm herzustellen. Eine arme Witwe aber, welcher alles genommen worden war, verfluchte das wilde Wasser. Da wurde es Stollen-Hans schwer ums Herz. Er hatte weder Ruhe noch Rast mehr und verschwand eines Tages, ohne dass jemand anzugeben vermochte, wohin er gegangen sei. Seither aber, wenn der Hochstollen eine Haube anzieht und böse Wetter dräuen, tönt's vom Lauigraben und am Stollen: «Hojo, hoho, hojo!» Dann ruft jede Mutter die Buben herein, weil das Stollen-Hauri vor dem schwarzen Wasser warnt. Und wenn die Gefahr am grössten ist, ruft's aus der Nähe:
«Der Bach chunt, der Bach chunt!
Ja - ja - ja!
Der Bach ist nah, der Bach ist da!
Sind mini Bueben alli da!
Ja, ja, ja!»
Aus: P. Keckeis, M. Waibel, Sagen der Schweiz. Bern, Zürich 1986
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch