Der Richwiler Pfarrer hatte eine junge, schöne Magd die im Geruche der Hexerei stand; nur der Pfarrer mochte nicht daran glauben.
Es war ein schöner Sonntag in der Erntezeit; die Bauern kamen und baten den Kilchherrn um die Erlaubnis heuen zu dürfen. Am Nachmittag stand der Pfarrer unter dem offenen Fenster und schaute den Heuern zu, die sich gar nicht beeilten und gemächlich arbeiteten, denn es stand kein Wölklein am Himmel. Dem geistlichen Herrn kam da der Gedanke, seine Magd noch einmal zu versuchen. Er rief nach einem Glase Wasser, denn es war sehr heiss: „Ich wollte doch sehen, ob es dort auf den Matten nicht etwas schneller gehen würde, wenn vom Giswilerstock her ein kleiner Platzregen käme?" sagte er, als seine Köchin neben ihm stand. Diese antwortete nichts. „Ob sich das nicht irgendwie machen liesse? Das würde ein Zappeln absetzen, dass man sich krank lachen müsste," fuhr der Pfarrer fort. Da platzte die Magd heraus: „Das kann ich herrlich machen, wenn Ihr wollt." Die Hexe hatte sich verraten, der Pfarrer aber verlangte unglücklicherweise die Probe. Die Magd ging zum Giessfass, füllte das Handbecken bis zum Rande mit Wasser und überreichte es dem Pfarrer mit dem Bemerken, er könne nun ans offene Fenster stehen, und wenn sie auf dem Dachboden lärme und poltere, solle er mit den Fingern einige Wassertropfen ins Freie spritzen. Sie stieg auf die Russdiele und es entstand alsbald ein solches Donnern, Rumpeln und Poltern, dass der Pfarrer vor Schrecken das volle Wasserbecken zum Fenster hinausfallen liess. Alsogleich ballten sich dunkle Wolkenmassen am Giswilerstock; ängstlich brüllte das Vieh auf der Weide; die Gefahr ahnend, umflatterten die Vögel ihre Nester. Da öffnete der Himmel seine Schleusen, als ob eine neue Sündflut die Erde vertilgen sollte. Heulend riss die Laui ihre blühenden Ufer mit sich fort. Das herrliche Richwil ging zu Grunde.
Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch