Vor langer Zeit regierte ein Landvogt im Wasseramt, der zwei Schlösser besass, eines auf einer Insel im Inkwilersee, ein anderes im Dittiberg, wo heute ein Tannenwald bei der Bromegg auf dem Emmemain steht. Der Landvogt war ein böser Mann, der weder an Gott noch den Teufel glaubte und mit den Bauern machte, was immer er wollte. Er hatte hundert Diener und viele Pferde. Sah er ein hübsches Mädchen, dann schleppte er es mit Gewalt auf sein Schloss; besass ein Bauer ein schönes Pferd, dann sagte der Landvogt nur: «Das gehört mir», und der Bauer musste es auf das Schloss bringen. Arme Leute, die ihn um ein Almosen baten, ließ er von seinen Knechten mit der Hundspeitsche davonjagen. Wenn die Felder angesät waren oder im Herbst bei der Ernte, pflegte er mit seinen Knechten hoch zu Ross darüber hinwegzureiten und zertrampelte Saat oder Frucht.
Obwohl er in beiden Schlössern eine Kapelle hatte, war er nie darin zu finden und selbst über die Mutter Gottes machte er sich lustig. Den alten Kaplan, der ihm zuredete, verfolgte er mit seinem Spott.
Einst hatte dieser Vogt auf dem Dittiberg drei Mädchen eingesperrt und Böses mit ihnen im Sinn. Zwei dieser Mädchen beteten, Gott möge ihnen helfen; das dritte aber sündigte um Geld mit dem Landvogt, und als es sie danach reute, lachte der Landvogt nur und rümpfte seine Nase wie ein Geissbock. Er meinte nun, die beiden anderen Mädchen sollten ihm auch zu Willen sein; aber die wehrten sich mit Händen und Füssen. Da liess er sie mit einem Strick um den Hals in einem tiefen Loch auf- und abziehen und von einem Knecht mit glühenden Eisen brennen. Da warnte ihn der alte Kaplan vor dem Zorn des Allmächtigen und beschwor ihn, die Unschuld zu schonen. Im Zorn ging der Landvogt mit gezücktem Säbel auf den alten Kaplan los und schrie «Verdammter Pfaffe, der Satan soll mich holen, wenn's den überhaupt gibt!»
Im gleichen Augenblick erschien der Satan, packte den Landvogt und fuhr mit ihm zum Turm hinaus in die Lüfte. Auch seine Knechte sind zur gleichen Zeit spurlos verschwunden. Das Schloss aber ging in Flammen auf. Seither muss der gottlose Landvogt als Dürst in der Gegend umherirren. Seine Knechte wurden in Hundsgestalt verwandelt. Einer war einäugig, ein anderer hatte nur ein Bein, dafür ein anderer drei Beine. Der Dürst ist immer grün gekleidet, und Feuer lodert ihm aus Mund und Nase. Nachts nach dem Betläuten muss er durch die Wälder jagen und seinen Ruf «Hoho, hoho, hoho> ausstossen, bis am Morgen die Betglocke läutet.
Seit die Franzosen ins Solothurner Land gekommen sind, glaubt man an nichts mehr, weder an Gespenster, an brönnlige Mannen, noch an Hexen.
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch