Auf einem von Stauden, Bäumen und Steinen bedeckten einsamen und schwer zugänglichen Platz bei Bettlach hausten vor vielen Jahren die Erdweiblein. Hilfreich gegen all diejenigen, welche sie nicht kränkten, und hilfreich, wo einer sich bei der Arbeit schwer anstrengen musste oder wo Gefahr drohte, verkehrten sie gern mit den Menschen, welche sie nicht selten mit Leckereien beschenkten. Ihre Kleidung waren lange schwarze Röcke, und Männlein sah man nicht bei ihnen.
In Bettlach war ein Haus, das man des Savoyers Haus nannte; da kamen die jungen Mädchen und die älteren Frauen oft mit Wickel und Rad zum Spinnen zusammen. Auch die Erdweiblein erschienen dort, aber erst nach dem Läuten der Betglocke, und halfen bei der Arbeit. Manchmal hatten sie auch ihr eigenes Werg bei sich und eigenen Wickel; dann brachten sie Öl in hohlen Nüssen und füllten damit die Lampen und steckten die Kunkel in die Fensterbank. Wunderbar war es, dass das Werg sich nicht verminderte, so viel Garn sie auch spannen und abhaspelten; der kleinste Vorrat reichte länger als ein Jahr aus. Das Gespinst aber pflegten sie den armen Leuten im Dorfe zu schenken. Wenn es nahe an zehn Uhr war, standen sie auf und gingen fort. Nie sah man ihre Füsse. Einmal aber streute man heimlich Asche vor die Türe und da entdeckte man lauter Tritte von Gänsefüsschen. Seither kamen die Erdweiblein nie wieder in das Haus nach Bettlach.
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch
Die Erdweiblein bei Bettlach II
Nicht weit von Bettlach, im Kastels, ist mitten in Stauden und Gestein ein Stück Land, genannt die Chutzchammarä. Dort wohnten vor Zeiten Härdwibli, klein von Wuchs, in schwarzem Gewand, das die Füsse deckte, guten Leuten gewogen, denen sie Glück brachten. Böse hassten sie. Sie liebten und buken Brotkuchen, Wäie, und teilten davon fleissigen Bauern freigebig mit, wenn sie ackerten. Als ein solcher ihr geheimes Walten und Backen unterm Boden vernahm, die frischen Wäien roch und sich auch eine wünschte, sieh da, am Ende der Furche stand ein Stühlchen vor einem Tisch, darauf ein weisses Tuch, auf diesem ein duftender Kuchen mit silbernem Messer. Als er jedoch, von Habsucht verführt, das Messer zu sich steckte, fand er über's Jahr weder Wäien noch ferner Gedeihen auf dem Acker.
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch