Auf dem rechten Ufer der Aare, oberhalb Solothurn, hart am träge dahin ziehenden Flusse, bloss wenige Minuten vom Bollwerk des «Krummen Turmes» entfernt, steht die Kapelle von Dreibeinskreuz. Sie stammt aus dem 16. Jahrhundert. Als Erbauer wird der Schultheiss Daniel Babenberg genannt. Vor dieser Zeit stand dort ein einfaches Steinkreuz, welches nach seinem Stifter Conrad Trübein «Trübeinskreuz» genannt wurde.
Zur Zeit, da in der Stadt und ihrer Umgegend die Pest regierte, wurde in unmittelbarer Nähe von Dreibeinskreuz ein Notfriedhof errichtet, besser gesagt, eine Grube geöffnet, in welche man die Toten warf. Das war im Kalberweidli unterhalb des Spitalhofes. Ein Kreuz bezeichnet noch heute die Stelle dieses Pestilenzfriedhofes, deren es um die Stadt herum noch mehrere gab. Damals fuhr eines Tages ein Mann mit einem Wagen voll Leichen zum Tor hinaus nach dem Kalberweidli. Unterwegs, bei einem Kapellchen, das ungefähr in der Mitte der heutigen Burgergärten gestanden, fiel eine Leiche vom Wagen. Von einem Vorübergehenden darauf aufmerksam gemacht, sagte der Fuhrmann, er habe es wohl bemerkt, nehme aber den Toten dann bei der nächsten Fuhre mit. Zur selben Zeit war es auch, dass mitten im Dorf Aeschi ein Fuder goldener Garben verfaulte, weil Schnitter und Schnitterinnen auf dem Heimweg von der Seuche ergriffen worden waren.
Jetzt liegt Dreibeinskreuz einsam da. Bloss am 30. September, am St. Ursentag, ziehen ältere Leute noch hinaus, um an der Stelle in stillem Gebet der ersten christlichen Glaubensboten zu gedenken.
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch