In Giswil im grossen Teil befand sich schon von alters her ein grösseres Gotteshaus, die Kapelle zum Eschtürli genannt, weil in nächster Nähe ein mächtiger Eschbaum stand an dem ein sogenanntes Türli befestigt war. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts wurde für den Turm eine neue Uhr angeschafft, an der viel herumgeflickt werden muhte, um sie einigermassen in Funktion zu erhalten. Da kam einmal aus dem Schwarzwalde her ein Uhrenmacher, der sich anheischig machte, das Zyd auf ewige Zeiten gut zu machen. Ein wohlweiser Kirchenrat beauftragte nun den Kapellenvogt, dem Künstler die Turmuhr zur Reparatur zu geben und ihn in guter Münze zu bezahlen. Der Uhrenmacher liess sich mehrere Tage gut bewirten und bezahlen und kehrte fürbass. Gar bald haperte es wieder im Uhrwerk und kein einheimischer Uhrenmacher fand sich, der dasselbe wieder in Gang setzen wollte oder konnte. Kurzum, die Turmuhr stand still bis nach Jahr und Tag unser Uhrenmacher aus dem Schwarzwald wieder erschien und das Zyd gegen klingenden Lohn wieder in Gang setzte, Das wiederholte sich von Jahr zu Jahr bis auch unserem Uhrenmacher selbst das irdische Gangwerk stille stand. Seit dieser Zeit aber hauste im Glockenturm und Zydgänterli ein fürchterliches Gespenst, das niemanden im Glockenturm dulden wollte, Steine und andere Gegenstände den Turm hinunter warf, die Glockenseile zerschnitt und allerhand Unfug trieb. Das Gespenst nun war unser Uhrenmacher aus dem Schwarzwalde, der jeweilen die Turmuhr absichtlich verpfuschte, um Jahr für Jahr gutbezahlte Arbeit zu haben.
Gegen den angehenden Frühling und zumal in der Osterwoche rumort unser Glockenturmmandli am entsetzlichsten, und mancher junge Bengel, der es foppte, hat es bitter büssen müssen. An Fronfastennächten rasselt es furchtbar in der Kapelle herum und schon mancher späte Wanderer hat es zu diesen Zeiten deutlich rumpeln und die Türe riegeln hören.
Von Gestalt ist das Gespenst ein kleines Männchen in Lederhosen mit feuerrotem Länder (Weste) und schwarzer Zipfelkappe.
Als noch im Pfrundhause Schule gehalten wurde, stiegen einmal einige fürwitzige Buben in den Glockenturm hinauf und neckten das Glockenturmmandli. Es erging ihnen aber schlecht; links und rechts sausten Steinsplitter an ihren Köpfen vorbei und eilig ergriffen sie die Flucht. In der Schulstube angekommen erzählten sie den Vorfall dem Kaplan und o Entsetzen! jetzt erst merkten sie, dass einer ihrer Kameraden, ein gewisser Eberli, zurückgeblieben war. Sofort eilte der Kaplan, in den Glockenturm und fand dort den vermissten, entsetzlich zugerichteten, halbtoten Knaben, den er aus seiner misslichen Lage befreite. Nach einigen Wochen aber starb der Knabe trotz aller Fürsorge.
Seit dieser Zeit ist es den Schulknaben strenge verboten, das Glockenturmmandli zu necken. Das Gewölbe wurde verschlossen, auf dass Unbefugte nicht in den Turm steigen können.
Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch