In einem abgelegenen Weiler des Senselandes stand vor Jahren ein altes, baufälliges Häuschen, in welchem sich ein Geist herumtrieb. Der Vater der Familie, welche dieses bewohnte, war ein Gewohnheitstrinker gewesen und eines plötzlichen Todes gestorben. Einige Tage nach der Beerdigung wollte die zehnjährige Tochter mehrere Male den Vater gesehen haben. Auch im Schlafe rief das Kind öfters nach dem Vater. Um Mitternacht hub in der Küche ein Poltern und Lärmen an, wie wenn alles Geschirr zerbrochen würde. Das Unwesen setzte sich hierauf in der Wohnstube fort. Tische und Schränke wurden von ihrem Platz gerückt. Dieses Treiben setzte der Geist mehrere Nächte fort. Das Gerücht drang in die Nachbarschaft, weshalb die Leute das verrufene Haus mieden. In ihrer Bedrängnis holte die Witwe einen Geistlichen. Sie teilte dem Priester den Sachverhalt mit. Der Hochwürdige kam ins Gespensterhaus und besprengte es mit Weihwasser. Dann beschwor er den Poltergeist, zu sagen, welches sein Begehr sei. Zuerst vernahm der Geistliche nur ein undeutliches Brummen; hierauf gab sich der Unsichtbare als den früheren Hausherrn zu erkennen. Im Unfrieden mit Frau und Kind und ohne die Sterbesakramente musste er in die Ewigkeit. Er fand keine Ruhe, bevor er nicht von seinen Angehörigen Verzeihung bekommen habe. Zuletzt bat er ums Gebet und eine hl. Messe. Bereitwillig versprach die Witwe die Erfüllung der Bitte und versicherte, sie verzeihe dem Dahingeschiedenen alle Fehler. Die folgende Nacht blieb im Hause alles ruhig. Die Frau verschob die Bestellung der Messe auf die nächsten Tage. Da erschien ihr in der zweiten Nacht die feurige Gestalt des Mannes. In der dritten Nacht ertönten drei heftige Schläge an die Stubentüre. Erschrocken sprang die Witwe auf und öffnete, aber niemand stand draussen. Jetzt fiel ihr das Versprechen ein, das sie gemacht hatte. Am folgenden Morgen besuchte die Gewarnte in der Pfarrkirche die hl. Messe und bestellte beim Pfarrer die gelobte Totenmesse. Erst von dem Tag an hatte die Familie wieder Frieden im Hause. Der dahingeschiedene Mann meldete sich nicht mehr.
Quelle: Pater Nikolaus Bongard, Sensler Sagen, Freiburg 1992.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch