Der Sagen gibt es unzählige, welche ausserordentliche Körperkräfte einzelner Menschen aus der Vorzeit erwähnen. — Einige sind schon angeführt worden. In Törbel wird erzählt:
Auf der Furren haben die Zimmerleute beim Baue einer hohen Scheuer miteinander beraten, wie sie den Fürstbaum hinaufbringen könnten, der eben sollte aufgeschlagen werden. Weil sie nicht gleich einig wurden, rief man sie zum Abendessen, um da die Sache noch reifer überlegen zu können. Als die Arbeiter, nun im Plan einig, wieder erschienen, sieh! da ist der Baum oben und auf seinem Platze. — Ein gross gewachsener lediger Bursche, stärker an Körper als an Geist, horchte der Beratung der Zimmerleute zu; darum nahm er während ihrer Abwesenheit den Baum allein auf die Achsel und trug ihn hinauf an Ort und Stelle. — Von einem grossen und starken Weibe, Anna Kalbermatter, wird auch in Törbel erzählt, dass es einmal ihrem ziemlich kleingewachsenen Manne auf der Matte geholfen habe, dürres Heu zusammen zu rechen. Der Mann nahm eine für ihn etwas zu schwere Bürde auf den Kopf und hatte die Kraft nicht, selbe über die Leiter hinauf in die Scheuer zu bringen; er setzte darum ab und rief sein Weib um Hülfe herzu. Dieses kam gleich und schalt ihren Mann einen Nichtsnutz; band ihn dann mit einem Strick auf die Bürde nieder und trug in einem Zuge Heu und Mann die Leiter hinauf in die Scheuer.
Die Familienstatistik von Zermatt erzählt, dass einmal zwei oder drei Söhne einen Zimmerbaum zogen, den sie nur mit grösster Mühe vorwärts brachten. Der alte Vater, der ihnen vom Hause aus zusah, ärgerte sich darüber; ging auf seinem Stock gestützt hin, jagte die Söhne vom Baume, sprechend: «Ihr unnützen Buben habt das Brot umsonst gegessen», und zog allein den Baum. Ferner ist zu lesen: Von Anton Furrer wird erzählt, er habe die Steinsäulen, auf denen das Portal der Kapelle in Winkelmatten ruht, getragen, eine Last die man jetzt keinem Saumtiere aufladen würde. Diese Säulen sind auf dem Mischisand, nahe am Gornerbache, ganz aus dem Felsen ausgehauen worden, und der Träger musste über ziemlich steile Felsen barfuss gehen, um sichern Stand zu haben.
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch