Im Langental, Geschnitt Binn in Goms, steht die Kapelle des Hl. Kreuzes, ein von nah und fern viel besuchter Wallfahrtsort. Dass da die frommen Gebete der Menschen Erhörung finden, beweist nicht nur dieser, in unserer glaubensarmen Zeit nicht verminderter Zulauf frommer Pilger und Pilgerinnen; auch die zahlreichen Votivtafeln sprechen dafür. Unter diesen befindet sich ein "Halseisen", von dem folgende Sage erzählt wird:
Ein Mann aus dem oberen Bezirke des deutschen Wallis fiel vor vielen und vielen Jahren, bei einer Reise durch die Türkei in die Hände der Ungläubigen, die ihn als Christ erkannten und mit Ketten harter Sklaverei belegten. Was er nun da mag gelitten haben, lässt sich denken.
In einer schlaflosen Leidensnacht bemächtigte sich unseres armen Sklaven namenloses Heimweh nach den friedlichen Bergen seines lieben Vaterortes. Unter einem Strom der heissesten Tränen bat er Gott um Befreiung aus der harten Gefangenschaft. Er gelobte zum Hl. Kreuz ins Langental eine Wallfahrt, wenn er so glücklich sei, den lieben heimatlichen Boden je wieder zu betreten.
Und er schlief ein. So sanft und selig begann er zu träumen, er sei wieder daheim und gehe ins liebe Langental zur Wallfahrt, die er dem Himmel versprochen. Angekommen am Gnadenorte, sieh! da erwachte er. — Aber welche Freude! es war kein leerer Traum: in Wirklichkeit war er, bei eben grauendem Tage, an der Pforte der Hl. Kreuzkapelle im Langental, von allen Fesseln frei; nur das Halseisen lag neben ihm auf dem Boden. Unter vielen Tränen küsste er die teure Erde, auf der er wieder stand, und das harte, seinem Halse so wunderbar entfallene Eisen, das er dankbar zu den zahlreichen Votivtafeln brachte, wo es noch jetzt zu sehen ist.
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch