Man erzählt, ein Mann, zwar klein an Geist, aber gross und stark an Körper, sei einst auf eine hochgelegene Bergweide gegangen, um seine Winterschafe zu füttern. Tiefer Schnee bedeckte die Erde und dichter Nebel umhüllte die ganze Gegend; dazu stürmte es furchtbar. Dem Manne ward unheimlich, als er noch zu allem dem das Heulen der Wölfe und das dumpfe Brummen der Bären hörte, die von Hunger getrieben auf Beute herum lauerten. Doch fasste er Mut, auf seine Kräfte vertrauend, und ging vorwärts, um seine lieben Haustiere nicht etwa verhungern zu lasten. Er hatte sein Reiseziel fast erreicht, als aus dem Viehstalle ein grosser Lärm sein Ohr traf; die Schafe blökten angstvoll und die Lämmer schrien zum Erbarmen. Im Flug ist der Mann zur Hütte; aber o Schrecken! Die Stalltüre ist eingeschlagen und ein Bär eingebrochen, der unter seiner Herde schonungslos niederschlägt und grausam würgt. Dem entsetzten Bergmanne entschlüpfte unter der offenen Türe ein donnerndes «Holla» in den Stall hinein; der Bär liess sich aber auch nicht zwei Mal rufen und hoch aufbäumend wollte er sich auf den ungelegenen Störefried werfen, als dieser mit den Worten «Oho Schurke! willst du von Arm! ich will auch von Arm!» ihn mit offenen Armen um die Brust erfasste, fest an sich klammerte und seinen Hals mit starker Stirne so kräftig liebkoste, dass derselbe mit Rachen und Tatzen nur noch die Luft zu beissen und zu peitschen vermochte. Ein gewaltiger Krafttanz ward nun unvermeidlich; — die Gegner hatten zu gesunde Füsse und zu feurigen Mut. Natürlich führte der Tummeltanz bergab — und immer mehr bergab, bis beide in einen Abgrund stürzten, wo der Schwerere — der Bär — voran, zuerst auffiel und Beine, Rücken und Genick zerbrach. — Der mutige Bergmann und seine Familie waren fortan "Bärenfaller" geheissen.
(erzählt von Herrn Kaplan Mooser)
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch