Vor einigen Jahren sah man in einem Hause von Ritzigen immer Licht, obschon das Haus damals unbewohnt war. Ging man hinein, so erblickte man nichts und kam man heraus, so sah man das Licht. Oft versammelte sich viel Volk um das Phänomen zu sehen. Nur ein unschuldiges Kind soll durch die Fenster eine Frau gesehen haben, deren Angesicht von den langen, herabhängenden Haaren bedeckt war. Laut seiner Beschreibung soll es die zuletzt verstorbene Hausfrau gewesen sein. Andere hörten immer jemanden im Haus herumgehen, obwohl sie nichts sehen konnten. Man hatte den Jesuiten, Pater Cavin, Exorcisten berufen, worauf das Geisterlicht verschwand.
Etwas Ähnliches ereignete sich in Zermatt, zur Zeit als ich dort Pfarrer war. In einem Hause, nahe an der Kirche, liess man während dem Sonntaggottesdienst einen Knaben zur Verwachung der kleineren Kinder zurück. Unter der Messe hörte man diesen Knaben entsetzlich schreien und um Hülfe rufen; der Knabe hatte sich schon zur Hälfte mit dem Leib durch ein kleines Fenster hinausgedrängt, denn die Stubenpforte war geschlossen. Als man hinaufkam und den zitternden Knaben mit grösster Mühe hineingezogen hatte, fragte man ihn, was er doch habe? «Ich habe», erwiderte er, «dort in der Kammer meine verstorbene Mutter gesehen.» «A bah, das hät dier nummu der Chlupf githan», suchte man ihm auszureden. «Nei, nei, i hämmi nit bitrogu; z'allererst hänni aswas g'hört rumplu, dar na die G'schiri wäschu, wie mini Muoter- seelig githa hät; und duo Eis im wissu Chleid g'seh umha ga, das längi Ischkerze an-ne Fingru hät g'häbet; aber no hät mer nit g'fürchtot. — Da hät schi d's Wib im wissu Chleid gegu mich g'chert — und — Jesus, Maria und Josep — es ist mini Muoter g'si — i hä scha ditli b'chennt — dar na hänni nimme g'wisst was i g'macht hä!» — So erklärte sich der Knabe.
Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch