Der Schatz im Schloss Agaren

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Vor vielen Jahren standen bei anbrechender Nacht zwei junge Leute, von denen einer ein Temperkind war, nahe an diesem Schlosse und sprachen miteinander, dass hier auch ein Schatz verborgen sein solle, den eine Kammermagd bewachen müsse, deren Erlösung an die Hebung des Schatzes gebunden sei. Sie wollten nicht furchtsam davon laufen wenn ihnen das Fräulein erscheinen würde, wie es schon so manche getan hatten. Während sie sich unterhielten, wurden sie mit Sand und kleinen Mauersteinchen beworfen. Sie glaubten anfangs, der Wind habe selbe heruntergeweht. Als aber dieser Sandregen fortdauerte und es immer grössere und grössere Steinchen auf sie hagelte, so vermuteten sie, etwa, ein mutwilliger Bube halte sich da oben versteckt und wolle sie necken. «Wir wollen doch sehen, wer da oben sei und uns nicht in Ruhe lassen könne», sagten sie zueinander und liefen hinauf über die langen Stiegen und finstern Gänge. Oben angekommen, war alles still und niemand anzutreffen; dabei wurde es so finster, dass sie an den Mauern herumtasten mussten um den Rückweg zu finden. Plötzlich hörten sie eine Pforte aufschliessen, ein rascher Gang und ein Klirren wie von einem stark geschüttelten Schlüsselbund rauschte an ihnen vorüber. Sie schlossen sich fester aneinander und sagten sich leise: «Das ist die Kammermagd, sie will uns die Schlüssel zum Schatze geben.» Im nämlichen Augenblick fiel ein grosser Schlüssel, wie geworfen zu ihren Füssen, dass es in den finstern Gängen hell ertönte. — Beide erschraken so sehr, dass sie nicht ein Wort zu sprechen wagten — und wie sie behutsam vorwärtsschritten, traten beide, bald der eine, bald der andere auf den Schlüssel am Boden; aber keiner wagte, ihn aufzuheben; einer zog den andern so gut und so schnell als möglich über die finstern Gänge und Stiegen hinunter und liessen Schlüssel Schlüssel bleiben. Wie sie sich endlich der Hauptpforte näherten, da stand zu ihrem neuen Schrecken, inmitten der Pforte, in aller Breite eine Weibsperson, ganz altväterisch gekleidet mit einem Schlüsselbunde; sie wandte ihnen den Rücken zu. Mit leisen, kaum hörbaren Tritten, schlichen sie der Mauer nach, neben der geisterhaften Torschliesserin vorbei, und drückten sich so fest sie konnten an die Mauern, um sie ja nicht zu berühren. Ohne zurück zu schauen, als sie schon fern vom Schlosse waren, wagten sie erst halblaut einander zu sagen: «Das war das Schlossfräulein! Ach, sie wollte uns glücklich machen und wir sollten sie erlösen! Aber was nit sy soll, schickt sich nit wohl!»

 

Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

Diese Website nutzt Cookies und andere Technologien, um unser Angebot für Sie laufend zu verbessern und unsere Inhalte auf Ihre Bedürfnisse abzustimmen. Sie können jederzeit einstellen, welche Cookies Sie zulassen wollen. Durch das Schliessen dieser Anzeige werden Cookies aktiviert. Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Cookie Einstellungen

Diese Cookies benötigen wir zwingend, damit die Seite korrekt funktioniert.

Diese Cookies  erhöhen das Nutzererlebnis. Beispielsweise indem getätige Spracheinstellungen gespeichert werden. Wenn Sie diese Cookies nicht zulassen, funktionieren einige dieser Dienste möglicherweise nicht einwandfrei.

Diese Webseite bietet möglicherweise Inhalte oder Funktionalitäten an, die von Drittanbietern eigenverantwortlich zur Verfügung gestellt werden. Diese Drittanbieter können eigene Cookies setzen, z.B. um die Nutzeraktivität zu verfolgen oder ihre Angebote zu personalisieren und zu optimieren.
Das können unter Anderem folgende Cookies sein:
_ga (Google Analytics)
_ga_JW67SKFLRG (Google Analytics)
NID (Google Maps)